
Featured by Forward >> Im Hier und Jetzt mit Max Siedentopf
Der ehemaliger Wettkampfschwimmer Max Siedentopf sieht Dinge aus anderen Blickwinkeln und liebt was er tut. Er ist Kosmopolit, war der jüngste Partner in der Geschichte von KesselsKramer und ist Meister im Schaffen von kreativen, provokanten und vor allem einzigartigen Werken. Max ist wie er ist und das ist gut so.
Du behauptest, dich weder als Künstler noch als Fotograf identifizieren zu wollen, da du lieber als Mensch an Stelle einer Jobbeschreibung wahrgenommen werden möchtest. Warum ist das so und hat es sich seitdem geändert?
Die Schwierigkeit besteht darin, dass die meisten Leute versuchen, jede*n in eine kleine Schachtel mit einem noch kleineren Etikett zu stecken. Wenn du Fotograf*in bist, bist du Fotograf*in, wenn du Designer*in bist, bist du Designer*in. Ich glaube jedoch, dass das Schöne an der heutigen Zeit ist, dass es Dank der langsam verschwindenden Grenzen zwischen Disziplinen und dem wachsenden technologischen Fortschritt einfacher als je zuvor ist, neue Dinge auszuprobieren. Dies war in der Vergangenheit nicht möglich. Alles was man braucht ist eine eindrucksvolle Idee.
Welche drei Wörter beschreiben deine Arbeit am besten?
Müßiggang.
Was hilft dir, so effektiv wie möglich zu arbeiten? Was ist die treibende Kraft in deinem Arbeitsprozess?
Die bevorstehende Angst vor dem Tod.
Du hast in anderen Interviews erwähnt, dass du nicht an Ästhetik glaubst. Was war dein erster Gedanke, als du gebeten wurdest, eine Schönheitskampagne durchzuführen?
Ich musste zuallererst einmal herausfinden, was Mascara ist und was man damit macht. Ich denke, es gibt bereits so viele schöne Fotografien, Designs, Videos und so weiter… Aber dauernd von so viel Schönheit umgeben zu sein, macht es fast ein bisschen langweilig, sie anzuschauen – man kann nur eine gewisse Ladung an Schönheit auf einmal vertragen, wie ich finde. Stattdessen denke ich lieber über Geschichten und interessante Ideen nach. Hier spielt das Aussehen keine so große Rolle, die Idee wird immer durchscheinen.
Gibt es ein Ziel, welches du mit deiner Arbeit erfüllen möchtest?
Ich denke Weltfrieden wäre ein guter Anfang.
Wie gehst du mit Kritik in Medien und auf Social Media um?
Ich versuche nicht zu viel darauf zu achten. Es ist sehr einfach, im Internet zu kritisieren. Selbst bei einem Foto von einem niedlichen Kätzchen findet man in den Kommentaren Beiträge einer beleidigten Person.
Am Ende sollte Kunst kritisches Denken anregen und positive sowie negative Reaktionen hervorrufen.
Wir machen keinen neuen Sodageschmack, den jede*r lieben muss.
Du hast einen ziemlich stressigen Job. Wie hältst du das Gleichgewicht zwischen Arbeit und einem gesunden Lebensstil aufrecht?
Bis ich 21 war, war ich Wettkampfschwimmer, trainierte bis zu 6 Stunden am Tag und bis heute glaube ich fest daran, dass ein gesunder Geist und Körper Hand in Hand gehen. Normalerweise sind meine Tage auf die Minute genau durchgeplant, aber ich versuche mir immer auch Zeit fern vom Bildschirm zu sichern.
Hörst du jemals auf zu arbeiten?
Nein. Ich mache was ich liebe, also verstehe ich nicht, warum ich eine Pause machen sollte.
Es scheint, als würden dir nie die Ideen ausgehen. Was hilft dir jung und verspielt zu bleiben?
Man darf sich selbst nicht zu ernst nehmen und keine Angst davor haben, sich in Verlegenheit zu bringen,
auch wenn eine Idee total absurd klingt. Manchmal ist es auch gut, einen Schritt aus der eigenen Komfortzone zu wagen. Auf jede gute Idee folgen 15 durchschnittliche und 55 schreckliche, aber wenn man sich selbst zu wenig Freiraum gibt, wird es immer schwieriger, neue Ideen zu generieren.
Was bedeutet es für dich, langfristig jung zu bleiben?
Man wird schneller alt, wenn man sich vor neuen Gedanken und Meinungen verschließt – Es ist wichtig die Augen und den Geist offen zu halten
und so flexibel wie ein Yogi zu sein. Eine anständige Hautpflege hilft auch.
Wie wichtig ist für dich Nachhaltigkeit im beruflichen und privaten Leben?
Ich komme aus Namibia, dem Land mit der zweitniedrigsten Bevölkerungsdichte auf dem Planeten, und bin mit nichts als Natur und Tieren aufgewachsen. Nicht zuletzt deswegen sind Nachhaltigkeit und der Umgang mit unserem Planeten für mich sehr wichtig. Ich hatte das Glück, dass viele meiner Kund*innen sehr fortschrittlich in Bezug auf Nachhaltigkeit sind. Ich ziehe es vor, mit Marken zusammenzuarbeiten die tatsächlich versuchen Gutes für den Planeten zu tun, anstatt nur rücksichtslos zu nehmen und zu zerstören.
Du hattest während des ersten Lockdowns im Frühjahr eine wahnsinnig kreative Phase. War es schwer für dich, zu Hause zu bleiben?
2019 musste ich fast jede Woche reisen und war kaum in London. In vielerlei Hinsicht schätzte ich es sehr, gezwungen zu sein, zu Hause zu bleiben. Es gab natürlich Höhen und Tiefen. In der Woche vor dem Lockdown trat ich als kreativer Partner im internationalen Kommunikationsstudio KesselsKramer zurück, um mich auf meine eigene Arbeit zu konzentrieren. Plötzlich war ich gezwungen, zu Hause zu bleiben, da alle Drehs abgesagt wurden. Das kam sehr unerwartet.
Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass man jeder Situation etwas Positives abfinden kann.
Deshalb habe ich versucht zu zeigen, dass das Feststecken zu Hause nicht bedeutet, tatsächlich festzustecken. Glücklicherweise brachten diese Einschränkung und unser neuer Lebensstil viele kreative Themen mit sich.
Auf deinen Social Media Accounts hast du deine Community dazu aufgerufen, zu dem Projekt “Home Alone A Survival Guide” beizutragen. Haben die Antworten neue Ideen ausgelöst?
Unzählige. Mit “Home Alone A Survival Guide” war von Anfang an eine Zusammenarbeit gemeint. In weniger als 2 Wochen wurden über 1.000 Fotos von Menschen auf der ganzen Welt erstellt. Meine Idee war es zwar erste Anweisungen zu geben, was die Leute zu Hause tun könnten, diese waren jedoch immer offen für Interpretationen der Community. Das führte zu zahlreichen Überraschungen und neuen Ideen!
Haben die letzten Monate langfristig etwas an deiner Arbeitsweise oder deinem Privatleben langfristig geändert?
Ich denke, da sich alle langsam an die neuen Umstände angepasst haben, beschleunigen sich die Dinge sehr schnell und ich arbeite derzeit an einer Reihe aufregender neuer Projekte, die 2021 das Licht der Welt erblicken werden. Ich habe außerdem gemeistert, die perfekte Quiche zu backen.
Illustration (c) Daniel Triendl
Fotos (c) Max Siedentopf