Featured by Forward >> Zwischen Kunst und Kommerz mit Sofie Fatouretchi

Musikerin, Malerin, DJane, Studentin, Kuratorin, Boiler Room member, Cult Survivor – Sofie Fatouretchi bewegt sich in den unterschiedlichsten kommerziellen und künstlerischen Sphären und lässt sich dabei nicht in Schubladen stecken. Ihr safe space bleibt trotz allem “ich, alleine zu Hause”. Nach längerer Zeit in Kalifornien, ist sie nun wieder in Wien und kreativer als je zuvor. Wieso das so ist, erzählte sie uns noch vor dem Lockdown in ihrem liebsten Wiener Kaffeehaus.

 

Deine neue Single Truth of the Matter ist vor Kurzem rausgekommen. Schaffst du es in solchen Momenten kurz anzuhalten und dein Erfolgserlebnis anzuerkennen oder geht es für dich direkt weiter?

Naja, das ganze Album ist schon länger fertig. Ich war im August und September in Los Angeles, als es gemischt und gemastert wurde, und da haben wir auch das Musikvideo gedreht. Inzwischen ist schon so viel Zeit vergangen, dass ich es echt gar nicht mehr ansehen kann. Ich habe auch einfach mein Handy ausgeschaltet, als das Video rausgekommen ist.

 

Die Reaktionen hast du aber in den Kommentare verfolgt oder? 

Ja, YouTube Kommentare sind immer witzig. Die bin ich schon so von meiner Boiler Room Zeit gewöhnt, als Leute teils auch Gemeines zu sagen hatten. “Oh, du bist so dünn!” oder solche Sachen. Es ist YouTube, da schreiben Leute einfach Blödsinn. 

 

Alles was du machst ist schlussendlich doch künstlerischer Natur und somit etwas sehr Persönliches. Hast du manchmal auch Zweifel oder bist du da sehr resistent?

Oh nein, natürlich habe ich auch Zweifel. Es ist jetzt das erste Mal, dass ich Musik produziere, die ich auch selbst schreibe, singe, und wo ich selbst die Instrumente spiele. Das ist dann so persönlich, da hat man gar keinen Puffer, um sich davon abzugrenzen. 

 

© Laura Schaeffer

 

In der Malerei ist es wahrscheinlich ähnlich, doch damit bist du ja erst seit Kurzem in der Öffentlichkeit.

Malerei und Bildhauerei waren für mich immer Ausdrucksmittel, die ich nie so wirklich erforschen konnte. Seitdem ich damit begonnen habe, stehe ich etwas in der Öffentlichkeit damit, auch wenn ich das noch nicht unbedingt will.

 

Mittlerweile ist es so whatever I’m just doing it, ohne viel darüber nachzudenken. 

 

Wie bist du überhaupt zum Malen gekommen? Woher kam dieser Wunsch?

Ich habe schon immer gemalt. Als Kind war Malen das Erste, das ich nach dem Aufstehen gemacht habe. Aber die Möglichkeit, wirklich großformatig zu arbeiten, habe ich zuhause nie wirklich bekommen. 

 

Würdest du sagen du bist von zu Hause aus künstlerisch gepusht worden?

Ich komme nicht aus einem musikalischen oder künstlerischen Hause. Meine Eltern haben sich zwar Anfang 20 beim Kunststudium in Italien kennengelernt, aber sie mussten es aus finanziellen Gründen aufgeben und haben dann Informatik studiert und in der IT gearbeitet. Meine Mama ist mittlerweile Anthropologin geworden. Aber nein, ich habe auch keine familiären Verbindungen zu der Kunstwelt oder zu der Musikszene.

 

Meinst du, dass man durch familiäre Verbindungen eher überhaupt erst auf die Idee kommt, diese Antriebskraft auszuleben?

Ich glaube, wenn man Künstler*in ist, kann man das nicht einfach wegmachen. Man entscheidet sich nicht konkret dafür. Ich habe mich auch ganz lange in anderen Bereichen versucht oder habe meinen kreativen Output an Firmen wie Boiler Room geliehen.

 

Aber ich habe das Gefühl, je älter ich werde, umso weniger kann ich das ausschalten. 

 

© Laura Schaeffer

 

Wieso würde man das überhaupt ausschalten wollen? 

Naja, Künstler*in zu sein ist gesellschaftlich und sozialstrukturell schon schwierig. Kunst ist kein Arztstudium, kein Jus-Studium. Wenn du kein finanzielles Polster hast, hast du keine sichere Zukunft.

 

Du bewegst du dich sehr an der Grenze zwischen Kunst und Kommerz. Ob Boiler Room, FM4, Stones Throw Records, Wiener Philharmonie; das sind so ganz unterschiedliche soziale Milieus, keine spezifische Bubble.

Ich glaube, sowas habe ich schon immer abgelehnt. Auch wahrscheinlich, weil ich in der Schule nie wirklich einer Gruppe angehört hatten. Ich war nicht so beliebt, eher ein bisschen so ein Freak.

 

Ich finde es sehr einschränkend, wenn man sich nur in einem Umfeld oder einem Kreis bewegt und genieße es sehr, in unterschiedlichen Sachen involviert zu sein. 

 

Also bist du gerne raus aus deinem safe space sozusagen. 

Ja, ich weiß nicht, mein safe space ist so – ich, alleine zu Hause. (lacht) Alles andere ist not safe.

 

Inspirieren sich die Disziplinen dann gegenseitig? 

Alles, was man so transdisziplinär macht, gibt dem anderen wieder Kraft oder Inspiration. Manchmal habe ich auch Wochen, wo ich überhaupt keine Muse habe um zu malen oder Skulpturen oder Musik zu machen. Dann in einer anderen Woche mache ich ganz viel Musik. Manchmal habe ich aber auch sehr produktive Wochen, wo ich extrem viel schaffe, dann schlafe ich auch sehr viel.

 

Hängen Inspiration und Produktivität für dich also zusammen?

Ja, absolut. Natürlich kann man auch anders Inspiration sammeln, durch Eindrücke oder soziale Situationen, aber das kann man sich nicht unbedingt aussuchen. 

 

Du hast auch erwähnt, dass du das Gefühl hast, dich wieder freier ausleben zu können, seitdem du zurück in Wien bist.

Ja, das kommt einfach daher, dass ich hier mehr Zeit für mich selbst habe. Man muss bedenken, dass ich im Ausland Vollzeit gearbeitet habe. Das fiel alles weg, als ich nach Wien gezogen bin. Dann bist du von deinen Freunden und deinem sozialen Kreis entfernt und plötzlich hast du Zeit für dich selbst.

 

Dann macht man plötzlich entweder ganz viel oder eben gar nichts.

Ich kann nie gar nichts machen. Es darf halt nicht immer zielorientiert sein. Das ist auch so etwas mit dem ich kämpfe, denn ich finde es wichtig und gesund sich zu langweilen. 

Ich bin extreme Perfektionistin, das ist eine meiner Schwächen.

Wenn ich in der Schule eine Seite geschrieben habe und mir meine Schrift nicht gefallen hat, habe ich alles wieder rausgerissen. Diese Sachen habe ich mir langsam abgewöhnt. Aber das steckt tief in einem drinnen und so ist man sich ständig selbst ein Hindernis. 

Bei diesem Album wurde so vieles nicht ein zweites Mal schöner oder besser aufgenommen, sondern es war wirklich die erste Aufnahme. Ich muss dann damit klarkommen, dass es nicht so perfekt klingt, aber ich würds auch langweilig finden, wenn es überproduziert oder “zu schön” klingt. 

 

 

In der Malerei ist das wahrscheinlich ähnlich oder? Du entscheidest dich für eine gewisse Farbe und musst dann damit umgehen.

Ich male viel auf unterschiedlichen Stoffen. Nicht auf Leinen, sondern auf Seide, und ich grundiere die Leinwände auch gar nicht. Das heißt ich weiß nie genau, wie der Farbverlauf wird. Dasselbe gilt für meine Skulpturen. Ich verwende ein Majolica Pigment aus den 70ern, das auch von Otto Wagner auf seinen Gebäuden verwendet gebaut. Dadurch, dass sie so alt sind, hast du jetzt auch nicht wirklich Kontrolle darüber, dass du eins zu eins weißt, wie es aussieht wird, wenn es gebrannt ist.

 

Da ist immer ein unkontrollierbares Element dabei. Das ist wichtig und gut so.

 

Spielt Nachhaltigkeit bei der Auswahl dieser speziellen Materialien für dich eine Rolle?

Nachhaltigkeit spielt in allen Facetten des Lebens eine Rolle, wenn man ein bisschen Andacht für die Welt hat, in der man lebt.

 

Siehst du die 60-jährige Sofie noch immer malend und Geige spielend? 

Ich konnte mir, als ich 18 war, nicht mal vorstellen, dass ich 18 werde. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen 30 zu sein, dabei ist es nicht mehr so weit weg. 

 

Was sind nähere Ziele für dich als 30 werden?

Ich freue mich schon sehr, wenn am 26. Juni das Album rauskommt, aber ansonsten plane ich nicht zu weit voraus. Ich weiß, es wäre gut, Langzeitziele zu haben, aber ich bin so leicht enttäuscht als Mensch. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich meine sehr hohen Erwartungen und Ansprüche an mir selbst auf die Weise vermindern kann. Im Endeffekt kommt vieles dann sowieso anders als geplant. 

 

(c) Illustration von Daniel Triendl 

1. Mai 2020
jungbleiben X Demuja
7. Mai 2020
In einer Entdeckung sehe ich Schönheit

Kommentieren

Die E-Mail Adresse wird auf der Website nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * gekennzeichnet und müssen ausgefüllt werden.