
Featured by forward >> Zwischen Größenwahn und Bescheidenheit mit Johann König
Johann König hat mit der König Galerie in Berlin und durch seinem unkonventionellen Zugang zur Kunst einen Kunst-Hotspot in Europa geschaffen. Ein Gespräch über das außergewöhnliche Leben des Galeristen Johann König.
1/ Herr König, Sie bezeichnen sich selbst als größenwahnsinnig?
Ich probiere immer wieder neue Dinge aus. Lieber klappt davon mal etwas nicht als, dass ich es nicht versuche.
Manches mag größenwahnsinnig wirken, ich bin aber vielleicht einfach manchmal nur furchtloser als andere. Die Gründung meiner Galerie war damals eigentlich extrem leichtsinnig, aber zum Glück habe ich mich trotz aller Skepsis und aller Warnungen getraut.
2/ Mit elf Jahren verloren Sie bei einem Unfall mit einer Startschusspistole beinahe Ihr Augenlicht. Sie bezeichnen diesen Moment als “Urknall”. Wie dürfen wir das verstehen?
Es war ein bestimmender Moment in meinem Leben, der maßgeblich meinen weiteren Lebensweg geprägt hat.
Meine Kindheit war damit vorbei.
Für mich war Kunst dann lange vor allem auf der konzeptuellen Ebene zugänglich, das hat gerade zu Anfang das Galerieprogramm stark geprägt.
3/ Wenn die Kindheit vom einen auf den anderen Tag vorbei ist, verlernt man dann schlagartig, Kind zu sein?
Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, merke ich, dass ich vor allem in meiner Fantasie und in meiner inneren Welt irgendwie Kind geblieben bin. Ich musste sehr früh lernen, über die Veränderungen in meinem Leben nachzudenken, weil die Welt nach dem Krankenhaus natürlich eine völlig andere war. Mein Leben war plötzlich voller großer Herausforderungen.
4/ Was bedeutet nachhaltig #jungbleiben für Sie?
Nachhaltig jung zu bleiben heißt für mich, dass man sich überhaupt nicht mit dem Alter beschäftigt.
Wenn ich zurückdenke, habe ich das Gefühl, es hat sich überhaupt nichts verändert. Meine Galerie habe ich zu Schulzeiten gegründet – irgendwie ist es, als würde ich noch immer am selben Projekt arbeiten, auch wenn fast 20 Jahre vergangen sind.
5/ In der Branche gelten Sie als “Popstar unter den Galerist*innen”. Wie würden Sie Ihren Zugang zu Kunst beschreiben?
Ich wünsche mir, dass so viele Leute wie möglich den Zugang zu Kunst finden und dass Galerien diesen elitären Anstrich verlieren. Über die verschiedensten Aktivitäten und Kanäle wie unsere Ausstellungen, Instagram, meinen Podcast „Was mit Kunst“ und das Magazin „König“, möchten wir Menschen und Kunst zusammenbringen. Wir sehen uns nicht nur als Verkäufer*innen, sondern auch stark als Kunstvermittler*innen. Für mich ist Kunst ein bestimmendes Element in meinem Leben, das mir schon durch schwere Zeiten geholfen hat. Deswegen möchte ich, dass Kunst möglichst viele Leute erreicht.
6/ Sie haben sich international einen Namen gemacht und arbeiten mit dem Who-is-Who der Kunstszene zusammen. Was hilft Ihnen da am Boden zu bleiben?
Ich habe gar nicht das Gefühl, dass für mich die Gefahr besteht, ich könnte abheben. Es geht mir um die Sache, um das Schaffen von Räumen für Künstlerinnen und Künstler und um die Präsentation und Realisation von Kunst. Dem dient alles, was ich mache.
7/ Die ehemalige Kirche St. Agnes in Berlin ist die Heimat der König Galerie. Ist es genau diese Kontroverse zwischen Tradition der Lokalität und zeitgenössischer Kunst, die so erfolgreich ist?
Die Räume von St. Agnes allein sind schon beeindruckend, sie transportieren immer noch etwas Sakrales. Die Größe und Weite des Kirchenschiffs erlaubt es uns, dort Ausstellungen musealen Ausmaßes zu zeigen. Die Umnutzung einer ehemaligen Kirche gibt uns auf jeden Fall ein Alleinstellungsmerkmal. Die brutalistische Architektur ist einerseits für sich gesehen eindrucksvoll, lässt aber andererseits der Kunst genug eigenen Raum.
8/ Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie und welche Rolle spielt diese in Ihrem Beruf?
Die Nachnutzung der Kirche ist in diesem Zusammenhang wichtig. In der Diskussion kommt oft viel zu kurz, dass die Nachnutzung von Gebäuden umweltschonend ist, weil die graue Energie, die in einem Abriss steckt, gigantisch ist.
9/ Sie vertreten mit unter anderem Katharina Grosse, Alicja Kwade, Jeppe Hein und Erwin Wurm bedeutende Künstler*innen. Was muss ein/e Künstler*in mitbringen, um in Ihrer Galerie ausgestellt zu werden?
Wichtig ist es, eine eigene künstlerische Sprache zu haben.
Wir vertreten in der Galerie keine spezifische Region oder Schule. Wir wollen die wichtigsten Positionen aus verschiedenen Bereichen zeigen, wie z.B. Annette Kelm als Objektfotografin oder Karl Horst Hödicke als Vater der „Jungen Wilden“.
10/ Corona hat die Kunstwelt besonders hart getroffen. Mit Ihrem Gesprächsformat “10am Series” auf Instagram, Ihrem Podcast “Was mit Kunst” und 3D Touren durch die Galerie haben Sie auf die Krise reagiert. Was waren Ihre Learnings aus dieser Situation?
Ich habe gemerkt, dass ich durch die Talk-Reihe auf Instagram und den Podcast noch einmal ein ganz neues Publikum erreichen kann. Auch wenn wir die Galerie im Lockdown schließen mussten, konnte ich so im Dialog bleiben. In der der „10am series“ gibt es immer die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Es kommen auch Künstler*innen zu Wort, die selbst noch keine so große Plattform haben. Letztendlich ersetzt nichts das physische Erlebnis einer Ausstellung, aber durch die Nutzung anderer Plattformen reißt zumindest die Verbindung nicht ab.
11/ Wie halten Sie sich nachhaltig jung?
Wie halte ich mich jung? Ich habe vier Kinder, die halten mich jung. Und ich fahre jeden Tag eine halbe Stunde Fahrrad (lacht).
Fotocredits (c) Murat Aslan, Roman März, Hisao Suzuki.
Illustration (c) Daniel Triendl.