
Zum Gleichwohlfühlen – Verena Pastuszyn vom Henriette Stadthotel
Mit Pelargonienblüten am Balkon und mitten im quirligen Wiener Stadtleben wohnen Gäste bei Verena und Georg Pastuszyn im Henriette Stadthotel in der Praterstraße. Angefangen hatte alles mit Georgs Vater, der „Das Capri“ von einer Pension in ein gut gehendes Drei-Sterne-Haus verwandelte. Aber Georg wollte mehr. Mit seiner Frau Verena hat er dafür die richtige Partnerin gefunden. Verena begann in ihrem Hotel von Wien und von Menschen zu erzählen – echte Geschichten statt konventionelles Storytelling. Und die Hauptrolle spielt darin Henriette. Sie ist jung und junggeblieben, unkonventionell und visionär und sie will vor allem eines: dass Menschen, Gäste, Mitarbeiter:innen und Nachbar:innen glücklich sind. Seit November 2021 heißt „Das Capri“ deshalb Henriette Stadthotel. Wir haben Verena Pastuszyn vom Stadthotel Henriette getroffen und sie gefragt, was das gute Leben für alle ausmacht und warum das ganz eng mit dem Gedanken der Gemeinwohl-Ökonomie verbunden ist.
Wenn du Henriette betrittst, was fällt dir als erstes auf?
Verena: Die Pflanzen und das Grün. Und dann ganz schnell unsere Gästebegeisterer, die hinter den Efeututen fröhlich hervorschauen.
Wie ist das, wenn ein Hotel zu einer Persönlichkeit wird?
Angefangen hat es eigentlich damit, dass wir Wien in unserem Hotel miterzählt haben.
Jeder Stock widmet sich einem Thema: der Wiener Architektur, der Kulinarik, Wiener Ausblicken, das zieht sich bis in die Zimmer durch, wo zahlreiche Stadtansichten zu den einzelnen Themen zu finden sind. Die Fotografin Christine Wurnig war für uns zwei Jahre lang in der Stadt unterwegs, um Wien für unsere Gäste einzufangen. Und sie einzuladen, in die unterschiedlichen Thematiken einzutauchen.
Der fünfte Stock ist der Wiener Prominenz gewidmet, das Stiegenhaus ganz anderen Persönlichkeiten.
Ja, dort lernen unsere Gäste nämlich alle unsere Mitarbeiter:innen und ihre persönlichen Lieblingsplätze in der Stadt kennen. Sie sind für uns ganz wichtig.
Unsere Mitarbeiter:innen sind die Seele unseres Hauses. Sie machen das Hotel für unsere Gäste zu einem familiären Ort.
Und damit begann eigentlich eure Reise zu Henriette und zum guten Leben.
Als Georg “Das Capri” von seinem Vater übernommen hatte, war es ein gut etablierter Betrieb. Aber er hatte auch den Anspruch, es zu seinem eigenen zu machen. Sehr schnell war klar, dass das unter „Das Capri“ nicht so gelingt, wie er es sich gewünscht hat. Wir haben 2018 unsere eigene Vision für unser Hotel entwickelt und sie als Geschichte in der Zukunft aufgeschrieben. Das war ein großer Wurf, denn da stand etwas von Gemeinwohl-Ökonomie drinnen, Lob und Anerkennung für und durch Mitarbeiter:innen, eine begrünte Fassade, der Wunsch, dass unsere Mitarbeiter:innen zu den glücklichsten der Branche gehören, davon dass man etwas zurückgibt. An die Region, an die Menschen, an die Nachbarn. Und da stand auch ein neuer Name für das Hotel: Henriette.
Seither stellt ihr euch regelmäßig auf den Prüfstand mit Zertifikaten, Auszeichnungen und einer ganz wichtigen Bilanz – in Sachen Gemeinwohl-Ökonomie.
Uns wurde bereits 2005 als eines der ersten Wiener Hotels das österreichische Umweltzeichen verliehen, 2015 kam das EU-Ecolabel dazu. Aber das genügte uns noch nicht. Als wir 2019 unsere erste Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz erstellt haben, hatten wir endlich etwas in der Hand, worin wir uns wirklich wiedergefunden haben. Sie ist der Rahmen für das, was wir täglich tun und hilft uns, uns konsequent weiterzuentwickeln.
Und was heißt das jetzt für euch konkret?
Gemeinwohl-Ökonomie heißt nichts anderes, als dass die Wirtschaft dem Wohle aller zu dienen hat. Das ist nur leider in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr vergessen worden.
Unser höchstes Ziel ist nicht, den Profit für uns zwei, Georg und mich, zu maximieren, sondern wir fühlen uns erst dann richtig erfolgreich, wenn wir gesund wirtschaften und eine Win-Win-Situation für alle herstellen.
Alle sollen gewinnen. So lässt sich die Gemeinwohl-Ökonomie wohl am kürzesten zusammenfassen. Und das gute Leben, das wir wollen, bezieht sich ganz klar auch auf unser Grätzel, mit dem wir in guter Nachbarschaft und im Austausch leben wollen und auf die regionale Wertschöpfung: Lieferanten soll es gut gehen, wir wollen keine Ressourcen verschwenden. Und wir sind überzeugt davon, dass das möglich ist.
Wie fiel denn eure Bilanz aus?
Wir haben schon 2016 bis 2018 die gesetzlichen Standards um 39 Prozent übererfüllt. Die Einhaltung der gesetzlichen Standards ist in der Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz erst der Startpunkt, also 0 Prozent. Die Bilanz von 2019 bis 2021 wird gerade auditiert und wir freuen uns schon darauf zu sehen, wo und wie wir uns gesteigert haben.
Auf eurer Website kann man das alles nachlesen.
Genau. Anhand dieser Bilanz arbeiten wir konsequent und gezielt unsere Themen ab. Dabei geht es beispielsweise ganz konkret um Menschenwürde, Transparenz und Mitentscheiden, Gerechtigkeit und natürlich ökologische Nachhaltigkeit.
Mit Henriette habt ihr aber zugleich auch eine ganz eigene Definition von Gemeinwohl gefunden?
Worum geht es denn, wenn wir das Gute für all jene leben wollen, die mit unserem Hotel zu tun haben – sei es als Gast, als Lieferant:in, als Mitarbeiter:in? Ums Wohlfühlen. Wir sagen dazu Gleichwohl fühlen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Nur um ein kleines Beispiel zu nennen: bei uns gibt es ein gemeinsames Mittagessen. Für alle. Wir wollen, dass sich unsere Mitarbeiter:innen, egal aus welcher Abteilung, und auch wir zusammensetzen und miteinander essen. Respekt und Wertschätzung funktionieren nur so: Wenn sich alle miteinander an einen Tisch setzen und reden können. Das ist eigentlich die Basis. Oder einander zu loben. Auch das fordern wir von unseren Mitarbeiter:innen ein.
Kann man das einfordern?
Mittlerweile. Natürlich gab es zunächst auch Widerstand, mit dem wir so nicht gerechnet hatten: Es fällt nicht allen Menschen leicht, andere zu loben. Wir sehen uns erst am Anfang mit unserer Entwicklung. Auch wenn wir schon gute Schritte weitergekommen sind, es geht immer besser.
Wir wollen nicht die ganze Welt verändern, aber das Stückchen Welt um uns herum.
Dazu gehört, vieles auszuprobieren, Fehler zu machen, mal übers Ziel hinauszuschießen. Und dafür brauchen wir Menschen, die das auch wollen. Und das zu erkennen, war nicht immer leicht.
Was inspiriert dich zum Weitermachen?
Erfolg. Es macht mich glücklich, wenn Dinge funktionieren, die out of the box gedacht sind, Ideen aufgehen und wir neue Pfade beschreiten.
Deine Vorbilder?
Ich find Arnold Schwarzenegger genial. Er ist und war in so vielen unterschiedlichen Bereichen an der Weltspitze. Er hat ganz offensichtlich ein außergewöhnliches Mindset, das ihn an Großes glauben lässt, unfassbare Disziplin, Durchhaltevermögen und Cleverness. Das ist einfach beeindruckend.
Wie beginnst du deinen Tag?
Mit einem Glas lauwarmem Zitronenwasser.
Was ist für dich wertvoll?
Familie, Geborgenheit, Freiraum und Natur.
Kurz gefragt:
Ein Ausflug in den Prater: Grüner oder Wurstelprater?
Mit den Kindern ganz klar Wurstelprater.
Zum Frühstück: Butterbrot mit Schnittlauch oder Handsemmel mit Marmelade?
Butterbrot mit Schnittlauch.
Im Urlaub: Städtetrip oder Landpartie?
Beides, am liebsten abwechselnd.
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