
Diese Frauen denken Österreichs Hotels neu: Die Weltoffene – Karin Leeb vom Hotel Hochschober
Karin Leeb übernimmt 2003 von ihren Eltern gemeinsam mit ihrem Mann Martin Klein das Hotel Hochschober auf der Turracher Höhe. Die beiden gestalten die Zimmer und Suiten neu und bringen einen Hauch weiter Welt in den hochalpinen Raum: mit Teezeremonien im Chinaturm, Hamam-Waschungen, Ayurveda-Behandlungen. Die passionierte Leserin Karin Leeb nährt aber auch den Geist ihrer Gäste. Im hoteleigenen Bibliothekszimmer waren schon zahlreiche Schriftsteller*innen und Denker*innen zu Besuch und stellten sich im „Wortreich“ dem Gespräch. Über die Turracher Passhöhe ziehen seit jeher Reisende aus aller Welt – und so reisen auch die Gäste im Hochschober von einem besonderen Ort zum nächsten, durch Räume, Zeiten, Regionen und Kulturkreise.
Du leitest in dritter Generation das Hotel Hochschober. Das “Hochschobern” ist deine Idee gewesen. Was fasst du unter diesem Begriff zusammen?
Eigentlich hat mein Mann den Begriff erfunden. Er hat vor 20 Jahren als Physiotherapeut gearbeitet und wir wussten da noch gar nicht, dass wir den Betrieb eines Tages übernehmen würden. Aber immer wenn wir hierher auf Urlaub fuhren, um im See-Bad zu planschen, gut zu essen, ein bisschen aktiv zu sein, fasste er das unter „Gehma wieder hochschobern“ zusammen. Das wurde unverwechselbar und auch unsere Gäste sagen, sie kommen zu uns hochschobern, denn es bedeutet ja auch für jeden etwas anderes, Individuelles.
Bei uns geht es nicht darum, möglichst viel zu absolvieren, sondern einige wenige Dinge zu zelebrieren.
Einer unserer Gäste fasste das Hochschobern für sich so zusammen: einfach einmal nichts tun, aber davon ganz viel.
Was macht ihr anders als die Generationen vor euch? Und warum?
Ich tue mir schwer, das zu beantworten. Denn jede Generation ist ja immer in Entwicklung. Man bleibt sich selbst treu, ist aber doch dauernd im Wandel. Meine Eltern waren Anfang der 1980er-Jahre Wellnesspioniere, als es den Begriff Wellness noch gar nicht gab. Bei uns sieht man auch am Hotelbau die Entwicklung über die Jahre. Meine Eltern haben die Hülle erweitert, wir haben innen alles komplett renoviert, mit unseren Architekten Christian Satek und Sabine Kreuzspiegl eine Linie hineingebracht, mit schönen Materialien, Möbeln.
Haben sich die Gäste verändert?
Vor mehr als 20 Jahren kam man am Samstag und blieb eine Woche. Man saß gerne mit Fremden am Tisch und machte Urlaubsbekanntschaften. Es floss viel Alkohol und es wurde viel gefeiert. Wellness war eher ein Minderheitenprogramm.
Vegetarier*innen bekamen Spiegelei und Gemüseplatte. Veganes Essen gehört bei uns seit mittlerweile sieben Jahren zum Standard. 2003 führte mein Vater erstmals Kurzurlaube ein. Von Donnerstag bis Sonntag. Das war damals revolutionär. Heute bleiben Gäste viel kürzer und nützen das Hotelangebot viel intensiver. Outdoor-Aktivitäten haben im Vergleich zu früher abgenommen. Einst ging man auf sechs- bis achtstündige Wanderungen. Heute, wenn wir eine dreistündige Wanderung ausschreiben, ist das schon fast zu viel. Aber nicht nur die Gäste, sondern auch die Mitarbeiter*innen, die heute aus 13 Nationen stammen, beeinflussen das Haus.
Einen Chinaturm mitten auf die Turracher Höhe zu stellen, war schon ein höchst spannendes Unterfangen…
Meine Eltern waren begeisterte Weltreisende. Und ihre Reiseeindrücke waren so stark, dass sie etwas davon hier haben wollten. Deshalb gibt es den Hamam und den Chinaturm und die Seidenstraße mit den chinesischen Kunstgegenständen.
Was ist das Besondere an den Teezeremonien?
Wenn man zur Ruhe kommen will, hat man meistens das Problem, dass die Gedanken davon galoppieren. Der Zeremonienmeister hat einen Ablauf, dem man folgt.
Fließende Bewegungen. Das Wasser fließt, man sieht nur dem Meister zu, dem Guss von einer Kanne in die nächste, dann kommt die Riechtasse, dann die Trinktasse, man ist gebannt von der Abfolge und wird einbezogen, schließlich kommt der zweite Aufguss und die Analyse, wie sich der Geschmack verändert hat. Es ist eine Form der Meditation, die viel einfacher ist, als zu sitzen und die Hände in den Schoß zu legen, weil die Gedanken oft nicht sitzen bleiben. Es ist eine gute Methode, um sich bannen zu lassen.
Womit werdet ihr Gäste und Nachbarn als nächstes überraschen?
Das werden wir oft gefragt.
Wir sind nie Sensationen hinterhergelaufen, sondern haben uns permanent weiterentwickelt. Derzeit bauen wir ein neues Haus für 40 Mitarbeiter*innen.
Im Hotel werden wir Zimmer zusammenlegen, da der Luxus großzügig zu wohnen im Urlaub ein immer wichtigeres Thema wird. Wir wollen uns als sicheres Refugium am Berg weiter entwickeln. Nicht zuletzt gibt es auf der Turracher Höhe bis zu Minus 20 Grad und Stürme mit bis zu 100 Stundenkilometern, ein Pass eben, auf den man hinaufkommt und auch Schutz sucht.
Hast du Sehnsucht nach der weiten Welt?
Ich habe drei Brüder, die in den USA gelebt haben. Da waren wir oft auch im Sommer. Wir brauchen einmal im Jahr ein, zwei Wochen mit echter Hitze. Denn hier heroben gibt es harte Winter und Hochgebirgssommer. Die sind kurz und so richtig ins Schwitzen kommt man bei uns nicht. Mittlerweile sind unsere Kinder fast erwachsen. Seit dem vergangenen Jahr haben wir einen Hund, der fährt jetzt statt den Kindern mit uns auf Urlaub. Mein Mann und ich planen mit dem Wohnmobil durch Österreich zu fahren. Denn im Hotel ist es für uns dann doch wieder fast wie Arbeit.
Kreative Kurse, von Kochen bis Malen und Schreiben – wer ist bei euch der kreative Kopf? Und wie äußert sich das?
Mein Mann stammt aus einer Künstlerfamilie. Er ist Musiker, komponiert, spielt Gitarre. Aber die Kreativkurse haben schon meine Eltern angefangen. Damals mit Hinterglasmalerei, Tanzkursen und Gewürzsträußerl binden.
Auch die Literatur darf bei euch eine wichtige Rolle spielen – wer ist bei euch die Leseratte? Und welche Bücher/Kamingespräche haben dich beeindruckt?
Ich hätte gerne Literatur oder Sprachen studiert. Und ich habe immer viel gelesen. Also habe ich unsere private Bibliothek ins Hotel verlegt und hole die Literatur auf den Berg. Mit einem eigenen Bibliothekszimmer, wo auch unsere Lesungen stattfinden.
Wir hatten schon hunderte. Wir laden zum Beispiel immer den letztjährigen Bachmannpreisträger ein oder Autor*innen aus dem Gastgeberland der Frankfurter Buchmesse, da hatten wir dann einmal drei isländische Krimiautoren zu Gast.
Ich lese viel und höre viel Ö1 und schreibe immer mit, wenn mich etwas interessiert. Doris Knecht war schon oft da, Marc Elsberg, die Kärntner Autor*innen Egyd Gstättner, Maja Haderlap oder Peter Turrini. Jedes Jahr ein Programm auf die Beine zu stellen, ist schon ambitioniert, aber immer wieder schön. Die Begegnung mit Barbara Frischmuth, deren Sternwieser Trilogie schon meine Jugend begleitet hat, hat mich ganz persönlich bewegt und ich war sehr dankbar und stolz, ihr zu begegnen.
Welche drei Persönlichkeiten würdest du gerne zu euch an den Kamin bitten und warum?
Ich folge auf Twitter dem WHO-Experten Dr. Mike Ryan, der jahrelang Epidemien in Afrika begleitet hat und sagt, wie die Politik darauf reagieren sollte:
be fast, have no regrets, don’t try to be right before you move. Man sollte sich trauen, Entscheidungen zu treffen.
Den würde ich gerne einmal einladen. Ebenso wie die Schriftstellerin Juli Zeh, die ich sehr schätze. In „Unterleuten“ und „Über Menschen“, da nimmt sie die Gesellschaft der Großstädter, die aufs Land ziehen und an ihre Grenzen stoßen, unter die Lupe. Und jemanden, den wir schon öfters hier hatten, und die meine Lieblingsinterviewerin auf Ö1 ist: Renata Schmidtkunz.
Drei Seen in direkter Nähe, in etwa eineinhalb Stunden zu erwandern – welcher ist dein persönlicher Favorit und warum?
Natürlich der Grünsee. Der gehört uns. Eine spezielle Alge ist für seine grüne Farbe verantwortlich. Die Drei-Seen-Wanderung Turrachsee, Grünsee, Schwarzsee ist eine der beliebtesten Routen hier heroben. Der Turrachsee ist blau, der Schwarzsee schwarz, wegen seiner Mooreinlagerungen.
Die Grenze zwischen Kärnten und der Steiermark verläuft mitten durch den Turracher See. Wie oft bist du drüben in der Steiermark?
Oft. Ich laufe immer in der Früh um den Turracher, den Grün- oder den Schwarzsee. Im Sommer um fünf Uhr morgens, im Winter um sechs.
Wenn du selbst in deinem Hotel urlauben würdest, wie würdest du den Tag beginnen, was wäre deine Lieblingsaction und wie lässt du ihn ausklingen?
Ich würde mit meiner Laufrunde beginnen. Im Winter besonders gern in der Früh, wenn es noch finster ist, mit Stirnlampe entlang der Loipe. Wenn die frisch gespurt ist, das ist mein perfekter weißer Teppich, als wäre der für mich ausgelegt. Und am Abend mit meinem Mann an der Bar bei einem MizziGin.
Dein persönlicher Lieblingsplatz?
Wir haben hier im Haus eine Wohnung und ich schaue von dort aus direkt in die Wipfel der Zirben – in der Früh einen Kaffee zu trinken, mein Müsli zu essen und in die Zirben schauend in den Tag hineinzugleiten…
Wie ist das, schon in dritter Generation immer wieder Pionierarbeit zu leisten? Gibt es in der Familie dafür einen sechsten Sinn?
Wir reisen mit offenen Augen. Und wir hinterfragen unser Produkt permanent. Ich beantworte jede einzelne Bewertung, Online-Fragebögen sind für mich sehr wichtig, wir lernen ständig von unseren Gästen und müssen auch manchmal den Schmerz der konstruktiven Kritik aushalten.
Wer oder was hält dich jung und inspiriert dich?
Sport, ich esse wenig Fleisch und unsere Jugend hält mich jung.
Wenn die Kinder den Eltern gegenüber kritisch werden, dann ist das der gnadenloseste Spiegel, den man vorgehalten bekommt. Das hält jung.
Und der Hund und Ö1. Das inspiriert mich. Ich höre Podcasts zu Geschichte, Kultur, Kunst, das finde ich nährend. Jede noch so simple Tätigkeit bekommt einen Sinn, wenn man daneben geistig Bereicherndes erfährt.
Kurz gefragt:
Schwimmen oder Ski fahren? Ski fahren.
Tee oder Cocktail? Longdrink
Hamam oder Zen-Meditation? Waldspaziergang im Dunkeln oder Morgenlauf im Dunkeln, das ist für mich zur Ruhe kommen können.
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