
Diese Frauen denken Österreichs Hotels neu: Mut zur Überraschung
In den Grazer Markohotels landen Gäste auf verschiedene und immer wieder neu überraschende Weise in der Kunst. Valerie Marko, von allen Poppy genannt, ist 2019 als Quereinsteigerin ins Hotelbusiness ihres Vaters Helmut Marko, Motorsportchef bei Red Bull, eingestiegen und leitet das älteste der mittlerweile vier Hotels des Familienunternehmens, das Schlossberghotel-Das Kunsthotel.
Gemeinsam mit ihren drei Kolleginnen, den Direktorinnen des Augarten Art Hotels, Anna Piantino-Araujo, des Lendhotels, Martina Papst, und des jüngst eröffneten Kai 36, Verena Lam, haben wir sie in der Lobby des Schlossberghotels, umgeben von Kunstwerken etwa von Maria Lassnig und Hermann Nitsch, getroffen und geballte Frauenpower im Gespräch erlebt. Diese wird noch zusätzlich verstärkt durch Claudia Wohlgemuth, Assistenz der Geschäftsführung. Stets über alles informiert und präsent, ist sie die gute Seele aller Häuser, hält sich aber im Hintergrund. Für das Team ist sie unverzichtbar. Über Intuition, kreativen Austausch, weibliches Selbstverständnis, Männerquoten und die Kunst des modernen Gastgebens.
Bildlegende (Von links nach rechts): Sitzend in schwarz: Martina Papst, Lendhotel; Stehend in grün/blauem Kleid: Anna Piantino-Araujo, Augarten Art Hotel; Stehend in Blau: Verena Lam, Kai 36; Sitzend in beige: Valerie Marko, Schlossberghotel – Das Kunsthotel
Wie managt Ihr das Zusammenleben von Kunst und Gästen? Mit Ineinanderfließen von Ideen und Ansprüchen, mit Konzepten auf längere Zeit oder mit gekonntem Improvisieren?
Alle vier Hotelleiterinnen sind sich einig: Es ist ein Improvisieren und Ausprobieren. Ja, definitiv.
Poppy: Es verändert sich alles so schnell, weshalb wir sehr Vieles einfach intuitiv machen. Man kann ja auch immer wieder zurückgehen und andere Wege einschlagen und das hat nicht nur für die Gäste sondern auch für uns einen kreativen Aspekt.
Verena: Und die Kunst ist ja da, sie ist kein Konzept, sondern ein Teil des Hotels. Es ist die Leidenschaft von Helmut Marko, Kunst zu sammeln und zu hängen.
Das Spannende in unseren Hotels ist, dass die Gäste von der Kunst überrascht werden. Und für mich persönlich ist es auch etwas Schönes, mit Kunst zu arbeiten. Sie um sich herum zu haben, beeinflusst uns ja auf eine Art und Weise.
Anna: Und bei all dem ist der Austausch wichtig, untereinander und mit den Gästen.
Martina: Wir spielen uns gegenseitig Ideen zu. Für Musik, Getränke,…
Anna: …die Stimmung, Licht, Gerüche, das alles spielt eine große Rolle im Hotel.
Wie begegnet Ihr kunstsinnigen Diskussionen? Müsst Ihr fachsimpeln können?
Poppy: Ich glaube, der Kunstexperte staunt und freut sich.
Verena: Sind die echt? Und: Sind das Originale? Das sind die zwei häufigsten Fragen.
Anna: Und: Kann man die kaufen? Dann schicke ich die Gäste von ganz oben bis unten durch. Zwischen der Kunst zu wohnen und sie einfach zu spüren, ist für die Gäste sehr schön.
Poppy: Bei den Mitarbeiter:innen gibt es manchmal einen gewissen Druck, Gästefragen beantworten zu können; Wir sind zwar kein Museum, aber die Gäste dürfen schon den Anspruch haben, dass wir ihnen Auskunft geben können. Nur, durch die Kunst werden schon gewissen Gäste angezogen, ebenso wie davon, dass hier Künstler:innen untergebracht werden oder von sich aus Gäste im Hotel sind. Dadurch wird die Kunst gleich viel erlebbarer, für alle. Das vermitteln wir den Gästen, vor allem. Claudia Wohlgemuth ist für die Hängung der Bilder verantwortlich, dies bedarf Gespür. Auf Wunsch bieten wir auch Führungen für unsere Gäste an.
Ist das eigentlich ein Frauenphänomen? Gar ein Klischee? Dass Frauen flexibler, intuitiver, weniger konzeptuell sind, auf das reagieren, was auf einen einströmt jeden Tag?
Martina: Ich glaube, das ist abhängig vom Menschen. Denn es gibt sicherlich auch Männer, die sich davon leiten lassen. Aber ebenso Frauen, die es nicht tun.
Poppy: Die Frage ist spannend, denn man kann natürlich sagen, das sei klischeehaft, aber: Mein Vater macht im Hotelbereich und beim Kunstsammeln sehr viel intuitiv, so dass wir hier vielleicht etwas weiblich Konnotiertes ausleben, es jedoch auch auf eine gewisse Weise vorgelebt bekommen – und zwar von einem Mann.
War das eine bewusste Entscheidung, dass die Hotels von Frauen geführt werden? Und nimmt man Unterschiede zwischen Männern und Frauen gar nicht mehr so stark wahr, wenn Gleichberechtigung einfach gelebt wird?
Verena: Dadurch, dass bei uns so viele Frauen arbeiten, stellt sich die Frage vielleicht wirklich nicht.
Wir müssen eher unsere Männerquote in Frage stellen…
(zustimmendes Lachen der anderen). In Wirklichkeit geht es ja darum, die passende Person für den passenden Job zu finden. Das kann jede:r sein.
Weibliches Management ist bei euch so selbstverständlich, dass Ihr gar nicht das Gefühl habt, Ihr müsstet explizit Frauen-Empowerment betreiben?
Alle: Nein, gar nicht.
Verena: Mir kommt vor, dass das auch von deinem Vater so kommuniziert wird, dass wir – Frauen – gut für diese leitenden Positionen sind, und wir dadurch intuitiver und freier handeln, weil die Prämisse einfach stimmt.
Poppy: Aber gab es schon mal einen Mann bei uns in der Direktion?
Martina: Nein, davon habe ich nix gehört.
Verena: Hier ist schon früh auf die Frauen gesetzt worden.
Martina: Auch, weil Frauen bei uns sehen, dass man, selbst wenn man nicht die richtige Ausbildung hat, eine Chance bekommt, sich zu beweisen und auch mit Kind Karriere machen kann.
Verena: Ja, ich glaube, das ist bei uns ein ganz starkes Thema: das Quereinsteigen.
Du bist ja auch Quereinsteigerin, Poppy? Oder bist Du mit dem Hotelbusiness aufgewachsen?
Poppy: Nein, nicht so richtig. Ich bin sehr früh aus Graz weggegangen. Und ich bin eigentlich ausgebildete Psychotherapeutin und erst 2019 wieder ganz nach Graz zurückgekehrt. Aber ich war, als ich klein war, sehr viel hier im Schlossberghotel.
Verena: Ah, da hast du das schon mitgekriegt.
Du hättest ja auch im Rennsport landen können…
Poppy: Nein. Das wurde nicht gefördert. Oder war es mangelndes Talent!?
Verena: Beim Go-Kart-Fahren? Oder auf dem Bobbycar?
Poppy (lacht): Nein, im Go-Kart war ich nicht schlecht.
Verena: Du hast das wenigstens gemacht. Ich habe das nie gemacht.
Poppy: Na, dann probieren wir’s mal!
Martina: Das ist eine gute Idee.
Anna: Für den nächsten Betriebsausflug.
Hat Euch die Kunst persönlich verändert?
Alle: Ja, schon.
Verena: Dieses Spektrum „von-bis“ ist einfach so spannend. Ältere Kunst und junge Künstler, Antiquitäten und Popart, Rennsport und Kunst … bei uns im Kai 36 hängt, zum Beispiel, wie selbstverständlich ein Bolide an der Felsmauer. Was bedeutet das? Das regt auch die Jungen zum Nachdenken und Nachfragen an.
Jung bleiben, alt werden? Wo verläuft der Graben?
Anna: Ich sehe bei mir im Augarten alles. Wir haben jung und alt. Sehr viele Kinder, die die Kunst sehr respektieren – sie hängt fast zum Anfassen niedrig in den Gängen. Es ist ein Mix von allen.
Martina: Das ist auch im Lendhotel so spannend. Dieses Hotel wirkt ja am jugendlichsten, poppigsten, sehr hip, jung, frech. Man glaubt, das ziehe nur junge Menschen an, aber so ist es eben nicht. Es kommen genauso ältere Pärchen, Oma, Opa. Quer durch alle Altersstufen.
Verena:
Offenheit ist ja nicht altersabhängig.
Es kommen ältere Gäste und sind total begeistert, obwohl man das bei ihnen gar nicht vermuten würde, und dann wieder gibt es mal junge, die mit dem Konzept gar nichts anfangen können. Und da zeigt sich auch, dass man eben den richtigen Gast finden muss. Es ist nämlich nicht so, dass jeder überall hingehen und sich wohlfühlen kann. Sondern man muss sich finden.
Poppy: Ich finde, das ist auch bei uns spürbar, dass sich nicht jeder Gast in jedem unserer Hotels gleich wohlfühlt. Gäste einfach untereinander auszutauschen, das geht eigentlich nicht.
Verena: Unsere Hotels sind zwar schon in Kunst und in den Themen ähnlich, aber sie sind in sich völlig verschieden.
Braucht Ihr also Gäste, die sich auf etwas Neues einlassen können?
Poppy: Ja, denn bei Corporate geführten Häusern bekommst du überall auf der Welt genau das gleiche. Es gibt Leute, die brauchen diese Sicherheit.
Verena: Wir haben im Kai 36 eine ähnliche Diskussion. Denn das Hotel ist bewusst minimalistisch und auf unserer Website gibt es zwar ein Foto von jedem Zimmer, aber immer nur einen Ausschnitt davon. Weil ja auch jedes Zimmer unterschiedlich ist, und die Leute rufen dann deswegen an und wollen ganz genau wissen, wie dieses Zimmer sei, weil sie mit den Unterschieden nicht zurechtkommen. In der Kette ist das Standardzimmer immer gleich groß und gleich ausgestattet. Sobald das ein bisschen anders ist, gibt es Fragen. Ich erkläre den Gästen dann, dass sie sich auf diese Überraschung einlassen sollten.
Poppy:
Ganz viele wollen das Zimmer, das sie da am Foto sehen. Mit genau den Vorhängen mit den Streifen.
Verena:
Gerade, weil die Erwartungshaltung oft schon so groß ist, will man sich überall absichern, damit es keine Enttäuschung gibt.
Aber ich finde, man muss das wieder ein bisschen umdrehen. Die Frage ist doch, ob es nicht viel Spannender ist, zu kommen und sich überraschen zu lassen. Früher ist man in ein Reisebüro gegangen, da gab es einen Katalog mit einer winzigen Hotelansicht und wenn man Glück hatte, war die Reiseberaterin sogar schon mal dort und hat dir sagen können wie es ist. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass bei uns je irgendwer enttäuscht von der Realität war. Sondern es war Urlaub und es war schön, Urlaub war sowieso immer schön. Ich glaube, das ist auch wieder Thema, die Leute da ein bisschen abzuholen und zu sagen: ‚Hey, es ist Urlaub, entspannt euch. Kommt an, kommt runter. Aber lasst die Erwartungshaltung zu Hause.‘ Denn das Hotel auf den Malediven mit dem frischen Früchtekorb ist nicht das gleiche wie ein Stadthotel in Graz.
Poppy: Mir kommt vor, dass die Akzeptanz bei den Gästen für das Individuelle immer mehr wächst. Auch dass sie nicht mehr komisch schauen, wenn etwa Mitarbeiter:innen blaue Haarsträhnen haben. Ich denke, dass das beim Gast besser ankommt, wenn er merkt, dass die Mitarbeiter:in, die ihm gegenübersteht, ihren Job gern macht, weil sie sich auch selbst einbringen darf und nicht einfach einen Begrüßungssatz aufsagt, genauso wie er von ihr verlangt wird.
Anna: Und uns geht es eben um das Persönliche, Individuelle, Kreative.
Poppy: Wir als Hoteldirektorinnen haben selbst auch viel direkten Kontakt mit den Gästen. Persönlichkeit, Handgeschriebenes, Gespräche mit den Gästen. Da schreiben die Gäste schon auch einmal zurück oder wollen die Person sehen, die das Begrüßungskärtchen geschrieben hat. Das bestätigt unseren Weg.
Martina: Wir haben es sogar einmal eine Zeitlang mit dem Mobile Check-in probiert. Aber das Ergebnis war, dass die Leute trotzdem zur Rezeption gekommen sind.
Anna:
Denn man will ins Gespräch kommen, über die Reise reden, darüber wie es einem geht, die Rezeption ist die Schwelle zum Urlaub.
Poppy: Deswegen wird es einen Chatbot oder einen Rezeptionsroboter bei uns nie geben.
Könnt Ihr mit Euren Gepflogenheiten und mit Euren Hotels die Welt verändern?
Poppy (schmunzelt): Es sind ja hier alles Menschen, die aufeinandertreffen. Wenn ein Gast gerade keinen guten Tag hat, dann bringt er das natürlich mit herein – da kann man aber auch sehr viel dagegen tun. Menschen sind neugierig, möchten sich austauschen.
Das Haptische, die Sinneseindrücke sind so wichtig, gerade weil sie uns in so vielen Bereichen genommen wurden.
Martina: Nach dem dritten Lockdown war der Redebedarf besonders hoch. Unsere Stammgäste wollten wissen, ob eh noch alle da sind.
Anna: Und auch für uns und unsere Mitarbeiter:innen war es wichtig, wieder Gäste zu sehen. Dabei geht es einfach um gegenseitige Anteilnahme.
Verena: Und mit Anteilnahme kann man schon ab und zu ein paar Samenkörner in die Gäste, in die Mitarbeiter:innen säen. Ob wir die Welt verändern können….? Ich glaube, das sollten wir uns vielleicht zum ganz großen Ziel machen.
Fotos (c) Martina Anger: www.vorstadtfarben.at