
Matteo Haitzmann: Aktivismus für alle Farben des Regenbogens
Seine Arbeit ist als interdisziplinärer Künstler genreübergreifend: Matteo Haitzmann hat sein neuestes Projekt Those We Lost – A Visual Concert den Opfern und Aktivist:innen der HIV/Aids-Krise der 80er und 90er Jahre gewidmet, um die Protagonist:innen auch Jahrzehnte später einer neuen Generation näher zu bringen. Über Aktivismus und künstlerische Grenzen hat das #jungbleiben Magazin mit Matteo Haitzmann gesprochen.
Für alle, die dich nicht kennen: Wie würdest du dein künstlerisches Schaffen beschreiben?
Matteo Haitzmann: “Ich bin als Künstler selbst an interdisziplinären Schnittstellen interessiert. Für mich als Musiker sind die Möglichkeiten, wie man etwas rüberbringt eher beschränkt. Deswegen sehe ich mir ein Thema von unterschiedlichen Seiten an und versuche es so konkret wie möglich zu präsentieren. Als Künstler bin ich an der Schnittstelle zwischen Performance Art und Musik zu finden.”
Erzähle bitte über den Moment, als du beschlossen hast, die HIV/Aids-Krise in den 80er und 90er Jahren zum Inhalt deines Solo-Programms Those We Lost zu machen!
Matteo Haitzmann: “Die Idee war schon drei oder vier Jahre alt und ist mitgewachsen. Es hat mit Notizen am iPhone angefangen, dann habe ich eine Word-Datei angelegt und immer wenn ich Zeit hatte, neue Ideen und Informationen notiert. Nach der Förderungszusage begann die konkrete Arbeit.”

Fotos: Daliah Spiegel, Florian Hetz
Wie war die persönliche Erfahrung während der Researchphase?
Matteo Haitzmann: “Ich bin richtig erschrocken, dass ich selbst so wenig über die HIV/Aids-Bewegung gewusst habe. Stressig war für mich aber besonders mit ‘geborgten Erinnerungen’ zu arbeiten, die schmerzhaft und dramatisch sind. Dramatik neigt in der künstlerischen Performance nämlich dazu oft eine oberflächliche Empathie zu erzeugen. Dabei wollte ich, dass viel mehr mitschwingt, denn es gab zwar Tod und Trauer, aber auch viel Freude und Kampfgeist. Und davor habe ich viel Respekt, denn die Aktivist:innen der HIV/Aids-Bewegung haben nicht nur auf die Krankheit aufmerksam gemacht, sondern einen wichtigen Beitrag zur Identitätsfindung der LGBTIQ+ Bewegung geleistet.”
“Was sich in Pandemien wiederholt, ist die Ausgrenzung von Menschen.”
– Matteo Haitzmann

Foto: Dahlia Spiegel
Was hat dich an der aktivistischen Arbeit zum Ausbruch der HIV/Aids-Krise besonders fasziniert?
Matteo Haitzmann: “Sowohl dass Menschen zu Höchstformen aufgelaufen sind und sich engagiert haben, als auch dass sie viele Methoden von anderen Movements, wie dem Black Movement oder Greenpeace, abgeschaut haben. Politische Bewegungen haben immer voneinander gelernt und sich ausgetauscht und in den 80ern und 90ern besonders. Erfolgreich wurden beispielsweise Aktivist:innen von DIVA-TV, die Polizeigewalt gegen HIV/Aids-Demos dokumentierten – damals noch mit großen Fernsehkameras. Ihr Videomaterial hat retrospektiv wichtiges dokumentiert.”
Du hast am Anfang der Corona-Pandemie mit Those We Lost zu arbeiten angefangen und dabei im Geschehen die Ausgrenzung wieder wahrgenommen …
Matteo Haitzmann: “Ich habe ein halbes Jahr vor dem Ausbruch der Pandemie an Those We Lost zu arbeiten begonnen und dann plötzlich zu viel Druck gehabt, denn ich wollte gar nicht, dass es so zeitgeistig ist. Was sich in Pandemien wiederholt, ist die Ausgrenzung von Menschen. Wir haben ja erlebt, wie es zu rassistisch motiviertem Hass gegen asiatische Menschen in der COVID-19-Pandemie gekommen ist. Also die Stigmatisierung und Ausgrenzung von Personengruppen passierte wieder.”
Du hast zu deinem “Visual Album” auch einen Workshop für Schulen entwickelt. Erzähle uns bitte darüber! Was war die Intention dahinter?
Matteo Haitzmann: “Das ist etwas autobiografisch. Ich bin am Land aufgewachsen und habe mir gedacht, wie toll es gewesen wäre, wenn jemand einen solchen Workshop damals an meiner Schule gemacht hätte. Aber heute ist es aktueller denn je! Aktivismus ist in dieser Generation präsent und in den Schulen angekommen. Trotzdem war mir wichtig, dass keiner mit erhobenem Zeigefinger reinkommt und sagt: ‘Und jetzt seid bitte queer-freundlich!'”
Worauf hast du bei deinem Workshop das Augenmerk gelegt?
Matteo Haitzmann: “Empathie und natürlich das Vermitteln von Fakten.”
In deinem Workshop haben die Teilnehmenden auch Gedichte schreiben und vortragen können …
Matteo Haitzmann: “Natürlich habe ich gehofft, dass sie mitmachen, aber wie toll die Schüler:innen das schlußendlich dann umgesetzt haben, war unglaublich.”
Für das Programm Those We Lost gibt es im Dezember 2022 noch zwei Termine:
- 1. Dezember 2022, Treibhaus Innsbruck
- 2. Dezember 2022, ARGE Salzburg
Titelfoto: Thomas Pewal