
Studio Visit: Kaja Clara Joo
Dass sie erst mit 25 mit dem Kunststudium begann, kommt Kaja Clara Joo spät vor, dabei ist gerade das Vergehen von Zeit so wichtig für ihre Kunst. Spätestens seit sie mitten im Wiener MuseumsQuartier eine große Latex Skulptur inszenierte, ist Joo nicht mehr nur der Kunstwelt ein Begriff. Die junge Künstlerin verdient definitiv das Prädikat „Up&Coming“. PARNASS traf sie zum Ateliergespräch.
PARNASS: Du behaust ein großes Metallstück mit einem kleinen Hammer und gehst damit an deine körperlichen Grenzen oder du baust große Skulpturen aus Latex, die sich verfärben und schließlich zerfallen. Was fasziniert dich am Kampf mit oft überlebensgroßem, schwerem Material?
Mit einer Materie zu arbeiten, die reagiert und so etwas wie ein Eigenleben entwickelt, das fasziniert mich. Obwohl ich glaube, dass wir Menschen die Erde gesellschaftlich, politisch und kulturell bevölkern, sehe ich uns nicht als Zentrum des ganzen Geschehens.
Viele meiner Arbeiten sind groß, fast schon monumental, aber sie sind nicht für die Ewigkeit und das bringt eine unglaubliche Freiheit.
PARNASS: Wieso dieses Interesse am Vergänglichen?
Man schafft ja in der Kunst oft Monumente, die Jahrtausende andauern sollen. Wir machen Kunst, um uns selbst zu reproduzieren. Um abseits des eigenen Ablebens etwas von seiner eigenen Identität zu hinterlassen und zu konservieren. Ich habe das Gefühl, dass eben gerade das Nicht-Vergängliche ein sehr zentraler Moment ist. Und das will ich hinterfragen.
PARNASS: Du arbeitest sehr körperlich.
In dem Moment, wo die Größe meiner Werke über meinen eigenen Körper hinausgehen, bin ich gezwungen nicht mehr kleinteilig mit der Hand zu arbeiten, sondern mich mit vollem Körpereinsatz intensiv mit der Materie zu befassen. Ich habe zum Beispiel beim Hämmern einer Skulptur eine Sehnenscheidenentzündung bekommen.
Ich bin brutal und füge etwas in eine Form, doch diese Form arbeitet auch wieder zurück und bearbeitet mich.
In dem Sinne sind wir fast schon ebenbürtige Gegner*innen, als würden Dinge genauso etwas mit den Menschen machen, wie sich Menschen Dinge aneignen und verformen.
PARNASS: Aber du suchst dir dein*e Gegner*in aus.
Ja, da habe ich wahrscheinlich die Vorherrschaft über ein Narrativ, aber abseits dessen verweist das auch auf die Fragilität meines eigenen Körpers. Deshalb arbeite ich eigentlich präferiert mit störrischen Dingen und Materialien, die sich einer Planbarkeit entziehen. Zum Beispiel Latex – das ist nicht nur unbeständig, man muss auch extrem aufpassen, weil es die Lungen und Haut angreift.
PARNASS: Als Komplizin, um das Vergängliche doch noch „festzuhalten“ hast du die Fotografie an deiner Seite, du studierst in der Fotoklasse von Gabriele Rothemann.
Fotografie wird immer als etwas gesehen, das ein Abbild auf ewig konserviert, aber sie ist weitaus mehr. Fotografie ist auch, wenn ein Material dunkler wird, weil es belichtet wird. Latex ist lichtempfindlich, es reflektiert und oxidiert bei Lichteinfall, es schwärzt mit der Zeit. Es ist ein Material, das auch auf fotografischer und körperlicher Ebene funktioniert. Es riecht intensiv, es ist etwas, was sich sträubt schön zu sein.
PARNASS: Spielst du mit der Antithese zum Schönen?
Ich glaube das ist ein genereller Trend, speziell in Wien gibt es einen Fokus auf das Spiel mit einer sich verändernden Materialität.
In den 1970ern hieß es, dass Künstler*innen das Material befreien, vielleicht könnte man heute sagen, dass das Material sich von der*die Künstler*in befreit.
PARNASS: Wann fiel in deiner Biografie die Entscheidung für die Kunst?
Eigentlich war ich nach einer Ausbildung auf der Graphischen Vollzeit in visuellen Medien tätig – ich habe die Grafik von Weingütern oder Krankenhäusern übernommen und war von der bildenden Kunst weit entfernt. Mit 25 bin ich jemand der dann recht spät mit dem Kunststudium begonnen hat.
Es war eine aktive Entscheidung aus einem Leben mit fixem Berufsweg und gutem Einkommen auszusteigen.
So gern ich als Grafikerin gearbeitet habe – man hat seine Eigenleistung an jemanden anderen abgegeben, alles was ich gemacht habe, war im Grunde ein verkaufbares Produkt. Auch als Künstler ist man vermarktbar, Kompromisse sind natürlich auch in dieser Karriere wichtig, aber die Hierarchie ist eine andere.
PARNASS: Du pendelst zwischen Wien und Neulengbach in Niederösterreich – wie wichtig ist der Austausch zwischen Stadt und Land für dich als Künstlerin?
Es bringt Distanz. In Neulengbach ist es schön, es scheint die Sonne und es gibt guten Wein. Es fühlt sich fast schon so an, als würde ich Denkprozesse eher in hier machen und in Wien die handwerkliche Ausführung. Mein Kopf hängt in Neulengbach und mein Körper in Wien.
Text: Paula Watzl, PARNASS
Fotocredit: © Kaja Clara Joo