Udine Wasserrohr Wien Kunst

Petra Stelzmüller im #jungbleiben Portrait

Über Wasserrohre die zu Sprachrohren werden: Die Oberösterreicherin Petra Stelzmüller findet Sinn und Schönheit in den kleinen und unbedeutenden Dingen unseres Alltags. Kein Wunder also, dass sie sich auch selbst als Architektin des alltäglichen Lebens definiert. In ihrem neuesten Projekt „Undine kommt“ regt sie im öffentlichen Raum zum Nachdenken über die Stellung der Frau in der Gesellschaft an.

Passend zum Internationalen Frauentag am 08. März haben wir die Künstlerin getroffen und ihr zu ihrer Kunstinstallation sowie der Gleichstellung von Männern und Frauen einige Fragen gestellt.

 

Wie kam es zu der Idee, ein Kunstprojekt bzw. Wasserrohre als Kunstwerk im öffentlichen Raum zu gestalten?

Anfang Mai letzten Jahres habe ich im ORF einen Bericht über die oberirdisch geführten Wasserleitungen der Wiener Linien gelesen und die gewaltigen Rohre auf mich einwirken lassen. Es war die Gelegenheit, um dieser ungewöhnlichen Rohrinstallation neben der Wasserleitungsführung einen künstlerischen Touch zu geben – ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum, mit freundlicher Unterstützung durch die Wiener Linien.

 

Welche Botschaften sollen durch das Kunstwerk „Undine kommt“ vermittelt werden?

Das Projekt „Undine kommt“ beschäftigt sich mit Zitaten aus „Undine geht“ (1961) von Ingeborg Bachmann. Dieser Text wird mit den Wasserrohren der Wiener Linien im Sigmund Freud Park vereint und als „Sprachrohr für Frauen“ mit wichtigen Botschaften genutzt:

– Die Erwartungen der Gesellschaft an die Rolle der Frau und die Position der Frau in der Gesellschaft (wie z.B. Gehalt, Gleichstellung, etc.); das betrifft den öffentlichen und sichtbaren Außenbereich.

– Die Beziehung zwischen Menschen, vor allem physische und psychische Gewalt an Frauen durch Männer (2022: 30 Femizide); das betrifft den privaten und nicht gleich sichtbaren Bereich

 

 

Udine Wasserrohr Wien Kunst

 

 

„Undine kommt“ beschäftigt sich mit Zitaten aus „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann, welche Rolle spielt Ingeborg Bachmann und ihr Text bei diesem Kunstprojekt?

Ingeborg Bachmann ist eine der ersten deutschsprachigen feministischen Schriftstellerinnen der Nachkriegszeit. Ihre Texte sind auf der Höhe der Zeit und haben 50 Jahre nach ihrem Tod nicht an Aktualität verloren, was das Miteinander zwischen Menschen betrifft.

Sie beleuchtet als Schriftstellerin schonungslos das Geheimnisvolle, das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit, von Diskretion und Indiskretion in ihren Texten.

 

Wie haben Sie das Zitat von Ingeborg Bachmann ausgewählt, das auf dem Wasserrohr angebracht werden soll?

Bereits beim Eintauchen in das Konzept ist mir eingefallen, dass ich diesen Text in der Schule für ein Deutschreferat schon einmal behandelt habe. Umso spannender fand ich es, dass ich nach ca. 30 Jahren wieder bei diesem Text gelandet bin. Es scheint, dass ich mich nochmals mit diesem beschäftigen musste.

Heute weiß ich, was mir damals beim Vortragen gefehlt hat: es war die Erfahrung mit Beziehungen.

 

 

Udine Wasserrohr Wien Kunst

 

 

Der Einstiegssatz „Ich liebe das Wasser, seine dichte Durchsichtigkeit, …”* ist eine wortgewaltige Aussage, die öfters gelesen werden muss, um sich ein Bild zu machen. Es ist ein sehr komplexer Text, bei dem frau sich wirklich intensiv damit auseinandersetzen muss, um die Thematik, welche Bachmann anspricht, zu erkennen. Ich habe meine Interpretation gefunden, welche auch dann ab der Eröffnung im Juni zu lesen sein wird.

*gesamter Satz: „Ich liebe das Wasser, seine dichte Durchsichtigkeit, das Grün im Wasser und die sprachlosen Geschöpfe (und so sprachlos bin auch ich bald!), mein Haar unter ihnen, in ihm, dem gerechten Wasser, dem gleichgültigen Spiegel, der es mir verbietet, euch anders zu sehen. Die nasse Grenze zwischen mir und mir …“
Erzählung Undine geht (1961) von Ingeborg Bachmann (1926-1973), erschienen in “Das dreißigste Jahr”

 

Am 08. März ist Internationaler Frauentag: Inwiefern soll das Projekt auch als Sprachrohr für Frauen und deren Position in unserer Gesellschaft genutzt werden?

Das Projekt „Undine kommt“ bedeutet eine Umkehr und steht dafür, dass sich das weibliche Geschlecht nicht mit diesem Tatbestand zufriedengibt, sondern aufbegehrt, auf sich aufmerksam macht und ein Statement setzt:
gegen physische Gewalt, aber auch gegen deren psychische Ausformungen wie Bedrohungen, Abwertungen, Demütigungen, Mobbing, Einschüchterungen, Stalking und Beschimpfungen. Gewalt ist ein soziales Ereignis, das sich durch alle Gesellschaftsformen und -schichten zieht und schon in der Erziehung und in Beziehungen geprägt wird.

Es wird u.a. Informationsnachmittage mit der Gewaltpräventionsabteilung der Polizei vor Ort geben, es werden durch die Bildungsdirektion Wien Schulen eingeladen und informiert, Frauenspaziergänge werden veranstaltet und die wichtigsten Notrufnummern werden über einen QR Code am Kunstwerk abrufbar sein (sowohl für Frauen als auch Männer).

 

 

Udine-Wasserrohr-Wien-Kunst

 

 

Das Projekt bemüht sich im Bereich Nachhaltigkeit und engagiert sich auch im sozialen Bereich. Was darf man sich darunter vorstellen?

Nach Beendigung des Projekts werden alle produzierten Planenteile wiederverwendet, von einem sozialgeführten Frauenverein zu Umhängetaschen etc. genäht und bei einer Charity zu Gunsten von Frauenprojekten versteigert. Somit ist der Kreislauf von Frauen für Frauen geschlossen.

 

Was ist bei diesem Projekt besonders wichtig und was musste man bei der Entwicklung berücksichtigen?

Zuallererst stand die Einwilligung der Wiener Linien an, da sie die Liegenschaftseigentümerin der Rohre sind. Zum Glück waren sie von Anfang an begeistert dabei. Im nächsten Schritt wurden bei allen zuständigen Magistratsabteilungen in Wien eine Genehmigung beantragt. Zu guter Letzt bin ich allen Sponsor:innen, Spender:innen, Fördergeber:innen und Kooperationspartner:innen dankbar, dass dieses gewaltige und wichtige Projekt auf die Beine gestellt werden kann.

 

Sie beschreiben sich als „kreative Universalistin“? Können Sie ein bisschen mehr über sich und Ihren Werdegang erzählen?

Ich widme mich gesellschaftspolitischen und frauenbezogenen Sachthemen im öffentlichen Raum.

Als Architektin und Designerin betrachte ich jedoch die Welt nicht nur interessiert, sondern will sie mit Frauenhand verschönern.

Schon als Kind verspürte ich den Drang, aus meinem inneren Impuls im wahrsten Sinne des Wortes Handfestes zu entwerfen. Von meinem Großvater erlernte ich früh das Arbeiten mit Papier, Holz und Stahl. Das Handfeste erdet mich. Gegenstände, die ich entwickle, sind daher nicht nur optisch schön, sondern auch maximal nützlich und bereiten Freude.

Ein Auszug bisheriger Veröffentlichungen:
2023 GERMAN DESIGN AWARD SPECIAL MENTION für die Brosche der Thetis
2022 Auftragsarbeit die Brosche der Thetis für die KHM-Ausstellung Iron Men
2022 zu Gast im Karikaturmuseum Krems mit den Raben Hugin/ Munin bei 100 Jahre Paul Flora
2021 Ausstellung des Talismans Hugin in der KHM-Ausstellung Höhere Mächte
2018 AIR DE VIENNE Fächer im Museum Belvedere zur Ausstellung Sag‘s durch die Blume

 

 

Udine Wasserrohr Wien Kunst

 

 

Was würden Sie sich in Zukunft für Frauen wünschen?

Ich wünsche mir, dass Österreich* den Grundsatz der Menschenrechte, welchem es seit 1958 verpflichtend beigetreten ist, noch besser einhält, insbesondere:
Artel 1, Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
Artikel 7, Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz.
Artikel 18, Jeder hat das Recht auf Gedanken, Gewissens- und Religionsfreiheit.
Artikel 23, Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Artikel 26, Jeder hat das Recht auf Bildung.
*dies gilt natürlich auch für alle anderen Staaten!

 

Was bedeutet #jungbleiben für Sie?

Geistig und körperlich fit bleiben durch tägliches mentales und physisches Training.

 

Ohne, mild oder prickelnd?

Immer prickelnd, besonders gerne im Sommer!

 

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