
Diese Frauen denken Österreichs Hotels neu: Maria Hauser, Junior-Chefin im Stanglwirt
Maria Hauser ist ein typisches Hotelkind. Schon in jungen Jahren packte sie mit an – mal in der Küche, mal als Zimmermädchen. Nach der Matura wollte sie allerdings wissen, wie es ist, nicht „nur“ die Tochter vom 5-Sterne-Wellnesshotel Stanglwirt zu sein, sondern einfach die Maria. Sie ging nach Australien und Kalifornien und brachte von dort viele wertvolle Erfahrungen zurück nach Going, wo sie gemeinsam mit ihren Geschwistern die Biostrategie ihres Vaters Balthasar Hauser voller Begeisterung fortsetzt.
Das Energiebündel schupft im Familienbetrieb Marketing, PR, Qualitätssicherung, Gestaltung, die gesamten Shopping- und Spa-Bereiche und dazu alle Großevents im Stanglwirt – allen voran die berühmte Weißwurstparty.
Du bist vom Tiroler Going zum Studieren und Arbeiten nach Sydney und San Diego. Was hast du dort am meisten vermisst?
Die gesunde intakte Natur, in der wir leben dürfen. Das saubere Wasser. Das hat für mich eine unglaubliche Wertigkeit. Wenn du ins Ausland gehst, wird dir das noch einmal bewusster, welchen Schatz wir da haben. Und den gilt es auch zu bewahren. Mir war immer klar, dass ich zurückkommen werde. Ich bin hier sehr stark verwurzelt mit der Tradition und der Region. Obwohl – wenn ich im Nachhinein überlege, was alles hätte passieren können – was, wenn ich mich irgendwo anders verliebt hätte?
Seit 2006 bist du zurück beim Stanglwirt. Jetzt hast du selbst zwei Kinder, Leni & Anna. Was erzählst du ihnen von der Zeit so weit weg von der Heimat?
Es war für mich sehr wichtig, den Horizont zu erweitern. Dafür bin ich in jungen Jahren allein an das andere Ende der Welt gegangen. Ich habe in Sydney Tourism- and Hospitality-Management studiert und bin dann nach San Diego in ein Fünf-Sterne-Haus als Eventmanagerin. In Österreichs Tourismusschulen bekommt man zwar eine sehr fundierte Grundbildung.
Die Jahre im Ausland waren aber meine Lebensschule.
Teilst du mit uns die wichtigste Erkenntnis aus dieser Lebensschule?
Ich musste auf andere Menschen zugehen, obwohl ich sehr schüchtern war. Da habe ich mein Selbstvertrauen gewonnen. Ich wollte wissen, ob ich es schaffen kann, mir ganz allein ein Leben aufzubauen, wo ich auf mich gestellt bin, wo niemand den Stanglwirt kennt und man nicht gleich auf seine familiäre Herkunft reduziert wird, was oftmals vor allem in ländlichen Gegenden automatisch passiert. Meine Zeit im Ausland hat mir definitiv sehr dabei geholfen, mich selbst besser kennenzulernen und mir eine eigene Identität zu schaffen.
Welche erlernten Skills setzt du heute bei deiner Arbeit im familiengeführten Fünf-Sterne-Hotel um?
Ich bin im Familienverbund unter anderem für die Unternehmenskommunikation zuständig. Dieses offene Zugehen auf Menschen und die Begeisterung für den menschlichen Austausch habe ich im Ausland lieben gelernt und kann dies nun tagtäglich beruflich voll ausleben. In Sydney waren 72 Nationen bei nur 250 Studenten an meiner Uni vertreten, und ich war die einzige Österreicherin.
Die Vielfalt der Kulturen hat mich sehr inspiriert und noch weltoffener gemacht als ich ohnehin schon war.
Bio steht im Stanglwirt ganz oben. Dein Vater Balthasar Hauser hat den Weg sehr früh eingeschlagen. Wie siehst du deine Aufgabe, das weiterzuführen?
Ich bewundere meinen Vater zutiefst als Visionär und Pionier, der in einer Zeit, als das Bewusstsein für Bio und Nachhaltigkeit noch in weiter Ferne lag, unser Hotel bereits baubiologisch errichtet hat. Eigentlich wurde er damals sogar dafür belächelt. Er hat beispielsweise schon Dächer begrünt und eine Rindenheizung errichtet, da hat es Hackschnitzel oder Pellets noch lange nicht gegeben. Er hat damals so lange gesucht, bis er einen Tüftler gefunden hatte, der seine Ideen technisch realisieren konnte. Unser Nachbar hatte ein Sägewerk und die Rinden waren Abfälle. Mein Opa und mein Vater stellten fest, dass es ja schade wäre diese nicht als Heizmaterial zu nutzen. Aus einer Logik heraus sind sie dann auf die Idee der Rindenheizung gekommen. So sind wir auch familiär von meinem Vater geprägt. Dass wir achtsam mit unserer Natur umgehen, nichts verschwenden und die Umwelt bestmöglich ins Haus integrieren. Das tun wir schon immer, darin sehen auch meine Geschwister und ich eine wichtige Aufgabe für die Gegenwart und Zukunft. Eigentlich ist es eine schöne Bestätigung unseres Weges, dass es jetzt ein allgemeiner Trend geworden ist.
Ein Trend ja, aber wenige machen es in der Liga. Was macht es so schwierig?
Erst einmal macht es einen Unterschied, was draufsteht und was wirklich drin ist. Ich bin überzeugt, Gäste fühlen es unterbewusst, ob man das Thema voller ehrlicher Begeisterung lebt, oder nur blind irgendwelchen Trends folgt und diese halbherzig umsetzt. Dann gehört auch viel Erfahrung dazu.
Wir haben über Jahrzehnte Wissen angesammelt und auch Lehrgeld gezahlt.
Als beispielsweise diese Rindenheizung damals das erste Mal eingeschalten wurde, ist der ganze Ort im Rauch versunken, weil die Rinden zu feucht und zu groß waren. Dann haben wir sie in unserer Lipizzaner-Reithalle verteilt. Die Pferde haben die Rinden mit ihren Hufen zerkleinert und automatisch getrocknet. Rückblickend lässt einen dieser biologische Kreislauf natürlich schmunzeln, aber so ist es halt, wenn man etwas umsetzt, das bisher noch keiner gemacht hat.
Man muss erfinderisch und geduldig sein.
Heute läuft das natürlich professioneller und technisch viel versierter. Nachhaltigkeit wirklich authentisch zu leben und umzusetzen ist eine gewachsene Geschichte und ein laufender Prozess. Nichts geht von heute auf morgen. Und man lernt stetig dazu, außerdem gewinnt man immer wieder neue Erkenntnisse. Als großes Haus mit 5-Sterne-Anspruch ist man in einigen Bereichen auch ehrlich gesagt limitiert. Überspitzt gesagt, man kann bei rund 1000 Essen pro Tag natürlich nicht alles selbst anbauen, aber man kann auf einen möglichst hohen regionalen Anspruch achten. Wir verwenden zudem alle Erzeugnisse aus unserer hauseigenen Landwirtschaft und Fischerei für den Gasthof und fürs Hotel. Auch können und wollen wir natürlich nicht den ganzen Tag mit erhobenem Zeigefinger herumgehen und unsere Gäste belehren.
Im Urlaub will eigentlich kaum jemand auf etwas verzichten. Deshalb gilt es, das Thema den Gästen charmant zu vermitteln und ihr Bewusstsein dafür kreativ zu wecken und zu verstärken. Und das leben wir voller Überzeugung in unserem Alltag.
Was war zuletzt ein Erfolgserlebnis?
Wir haben gerade das Österreichische Umweltzeichen als erstes großes 5 Sterne Resort verliehen bekommen – die strengen Regularien sind einfacher umsetzbar in einem kleineren Hotel, in unserer Dimension stimmt es uns sehr glücklich und stolz, dass wir sämtliche Kriterien erfüllen konnten. Diese werden auch konstant überwacht und überprüft. Wir haben auch eine eigene Task Force, das Stangl Green Team, aus Mitarbeitern zusammengesetzt, denen das Thema auch persönlich ein echtes Anliegen ist. Wir tauschen gemeinsam Ideen aus und setzen diese wenn möglich so schnell es geht um – von Food Waste Vermeidung bis Mülltrennung, da kommen stetig neue Maßnahmen dazu.
Welches Thema nimmst du gerade in Angriff?
Wir haben uns gefragt, warum die Badeslipper für die Zimmer jeweils nochmals paarweise separat in Plastik eingepackt werden. Wir wollten die Verpackung abbestellen, aber das ging nicht. Einfach unverständlich. Dann haben wir länger gesucht bis wir einen neuen Lieferanten gefunden haben, der auch unseren Qualitätsanspruch an Badeslipper erfüllt und sie nicht einzeln in Plastik verpackt. Ich hätte mir nie gedacht, dass das schwierig sein könnte – war es aber. Nun stellen wir auf unverpackte um, haben aber natürlich noch ein Lager und brauchen die alten erst auf, weil die wollen wir ja nicht wegschmeißen.
Nachhaltig zu denken bedeutet: Wir sind niemals fertig.
Wir sehen Veränderung als etwas Positives und verstehen Nachhaltigkeit nicht nur im Sinne der Umwelt, sondern so umfassend wie die SDGs der UNO, die ja auch Soziales, Diversity, Bildung und vieles mehr in ihre Ziele miteinschließen.
Wie spüren das die Gäste im Hotel?
Die Verpflegung und Beherbergung ist im Kern unsere Aufgabe als Gastgeber – aber viel wichtiger ist, was in der Tiefe unter dem liegt.
Wir bieten eine Plattform für menschliche Resonanz. Wir sind Verbinder.
Beim Stanglwirt wird viel philosophiert, viel musiziert, wenig politisiert. Wir sind ein offenes Haus und sagen nie, du darfst da nicht rein. Wir sind ein Haus für den inspirierenden, positiven Austausch von unterschiedlichsten Kulturen und Menschen.
Du bist auch für die weltberühmte Weißwurstparty im Stanglwirt zuständig. Ein Fest für 2500 Gäste, das im Jänner 2023 zum 30. Mal stattgefunden hat. Was ist dein Geheimrezept für dieses Event?
Genau dieser Austausch. Es kommen viele einheimische Gäste wie unsere Nachbarbauern und gleichzeitig auch CEOs von internationalen Konzernen und auch viele prominente Persönlichkeiten aus aller Welt – und alle feiern zusammen ein Fest in ganz besonderer, traditioneller Stimmung die sie miteinander verbindet!
Es kommen Menschen zusammen, die sich höchstwahrscheinlich sonst nicht treffen würden.
Von den Medien werden meist nur die prominenten Persönlichkeiten gezeigt. Für das Fest ist aber jeder Gast ein Ehrengast, egal ob er aus dem Nachbarort oder von weit her kommt. Unsere prominenten Gäste finden dieses Miteinander auch immer ganz besonders. Auch sie suchen genau diese Erdung und die menschliche Verbindung, da sie ja von Berufs wegen meist nur in eher oberflächlichen Welten unterwegs sind.
Auf welche Alm zieht es dich, wenn du Bewegung mit gutem Essen kombinieren möchtest?
Zu unserer Stanglalm am Wilden Kaiser. Das ist noch eine richtige Alm, da ist der Melker oben und der Käser und unsere 24 Milchkühe. Dort wird unser Stangl-Bergkäse von Hand überm offenen Feuer gefertigt. Unsere Gäste können hinaufwandern und bekommen eine rustikale Brotzeit, aber es ist keine touristisch bewirtschaftete Alm, sie wird nur landwirtschaftlich genutzt. Von Juni bis September wandert meine Mutter jeden Mittwoch mit unseren Gästen hinauf. Es ist alles sehr ursprünglich, es führt auch keine Straße rauf.
Eine schöne, kleine und leichte Wanderung mit Kindern führt vom malerischen Hintersteinersee rauf zur Walleralm, wo man auch sehr gut einkehren kann.
Du hast die hauseigene Kosmetiklinie TGC – The Good Conscious mitentwickelt. Sie verspricht, das Hautbild zu verbessern und den Alterungsprozess zu verlangsamen. Wie wichtig ist dir gutes Aussehen und Jungbleiben?
Mir war es vor allem wichtig eine komplett eigens entwickelte Marke für unser mehrfach ausgezeichnetes Stanglwirt Spa einzuführen, in dem wir auf dem Niveau eines Haut-Instituts arbeiten. Diesem hohen Anspruch der Behandlungen sollte auch unsere hauseigene Produktlinie gerecht werden. Es war mir wichtig zu wissen, woher jede einzelne Ingredienz kommt und, dass alle Inhaltsstoffe zu 100 Prozent nachvollziehbar von höchster Güte und Reinheit sind. Ich wollte keine Produkte, auf denen einfach nur das Label ausgetauscht wird und dann halt bei einem Hotel der Name draufsteht und beim anderen ein anderer Name. Das ist nicht authentisch. Ich hatte das große Glück eine erstklassige Entwicklerin mit denselben ehrlichen Werten kennenzulernen, die für uns die Produkte eigens konzipiert hat. Dass die Resonanz auf die Produkte so dermaßen grandios ist, war zwar meine Hoffnung und mein Anspruch, aber ich hätte mir ehrlich gesagt nie träumen lassen, wie enorm die Begeisterung ist und wie viele Produkte online laufend nachbestellt werden. The Good Conscious heißt das gute Bewusste. Als Kosmetik-Hersteller sollte man sich der Verantwortung bewusst sein, die man für die Hautgesundheit der Kund*innen trägt und als Kunde sollte man sich der Verantwortung bewusst sein, mit was man die Haut als größtes Organ versorgt. Wer sich in seiner Haut wirklich gesund und wohlfühlt, strahlt das auch aus.
In welchem Hotel würdest du selbst gerne mal eine Nacht übernachten?
Da bin ich sehr dankbar, dass es mir sowohl größte Freude bereitet, ein paar Tage auf einer urigen Alpenvereinshütte zu verbringen, als auch mir ein Luxushotel mit individuellem Charakter anzuschauen. Beides hat seinen Charme. Ich war unlängst mit Freundinnen wandern auf der Seiseralm und war da auf einer Hütte mit Etagendusche und es war enorm gemütlich. Für mich noch dazu eine Kindheitserinnerung, weil wir mit den Eltern viel auf der Alm waren, wo wir uns im Brunnen gewaschen haben und es kein elektrisches Licht gab.
Ich bin so dankbar, dass ich das erlebt habe. Wir waren mit unserer Fantasie im Wald unterwegs, hatten jeden Tag Kontakt mit Tieren – wir sind ja ein großer Bauernhof. Das prägt ein ganzes Leben. Da habe ich auch diese Kreativität mitgekriegt, die ich heute jeden Tag brauche. Wir sind eben ein sehr geerdetes 5-Sterne-Hotel ohne diesen fast schon einschüchternden Luxus.
Von welchen Hotels lässt du dich gern inspirieren?
Wir tauschen uns in der Branche viel aus und besuchen uns als Kollegen. Für mich ist wichtig, dass ein Hotel eine eigene DNA hat, eine spürbare, authentische Philosophie. Kein Copy-Paste Schema von einer Agentur.
Ich will das Herzblut der Besitzer spüren und die Liebe zum Detail.
Da kann man mich abholen. Wenn ich ein anderes 5-Sterne-Haus besuche, dann zieht es mich dahin, wo man auch das legere Wohlgefühl hat und wo man in Kontakt mit anderen Gästen und den Mitarbeitern kommt. Wo Mitarbeiter sich nicht fast wie Diener benehmen müssen und wo die Gäste nicht unnahbar sind. Uns wird gern nachgesagt, dass beim Stanglwirt menschliche Kontakte entstehen, die oft ein Leben lang bestehen – echte Freundschaften. Es menschelt sehr. Das wird in der Welt, wie sie heute ausschaut, immer wichtiger. Alle sehnen sich nach ehrlichem, menschlichen Austausch auf Augenhöhe.