
Studio Visit: Christian Rothwangl
Im Atelier mitten in der Wiener Innenstadt fühlt sich Christian Rothwangl (*1993) am wohlsten – dort wo was los und es nicht ganz ruhig ist wie in seiner steirischen Heimat. Seine Bilder können beides: Ruhe und Bewegung. Für seine Bildwelt zwischen Malerei und Zeichnung hat Rothwangl eine eigene Technik mit ausgewaschener Tusche entwickelt – einen Signature Style, den man nicht so schnell vergisst.
PARNASS: Neben Wien hast du auch in London und Hamburg studiert. Jetzt kommst du gerade aus einem Atelieraufenthalt in Ungarn organisiert von der Galerie Krinzinger zurück – bist du froh wieder in Wien zu sein?
Ja, auch wenn die Zeit in Ungarn sicher sehr gut für meine Arbeit war, bin ich doch gerne in der Stadt. Ein Monat ganz ohne Ablenkung waren aber gerade gut. Weiterhin allein mit sich zurechtzukommen, wenn die Arbeit im Atelier zu Ende ist, haben zu einer intensiveren Auseinandersetzung und Reflexion meines Tuns geführt. Die erste Woche habe ich nur gezeichnet. Dabei ist eine Vielzahl von Skizzen entstanden, aus denen immer noch neue Bilder entstehen. Auch die Malerei konnte ich weiterentwickeln. Nach der zweiten Woche gab es eine Wende, wenn ich zuvor noch stark nach den Skizzen gearbeitet habe, entstanden Formen nun wie von selbst auf der Leinwand. Diese Bilder haben mir eine gewisse neue Freiheit im Prozess eröffnet.
PARNASS: Kann man deine jeweilige Umgebung in deinen Werken ablesen?
Der Ort, an dem ich arbeite, hat immer einen Einfluss auf die Arbeit, die Farbigkeit etwa hat sich in Ungarn wieder etwas reduziert. Das Haus und Atelier, in dem ich gewohnt habe, stammen von Carl Pruscha. Ein toller archaischer Betonbau in den Herbstfarben der Natur. Ich kann das nicht ausblenden.
So sind auch die Farben der Bilder dort bestimmt von Grautönen und „Ernsthaftigkeit“.
Generell beruhigt es mich, wenn ich das Gefühl habe, um mich herum passiert etwas. Deshalb habe ich London auch so geliebt – einfach das Gefühl zu haben, am Puls der Zeit zu sein. Da zu sein, wo es wirklich passiert. Auch was die Malerei betraf, war London schon so viel weiter als Wien. In London war bereits vor fünf, sechs Jahren das angesagt, was erst kürzlich zu uns gekommen ist. Das ist glaube ich auch das Beste am Wegkommen – man lernt zu verstehen, dass es an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Ansichten gibt. Die Qualität steht abseits und über allem, aber überall gibt es Moden, die kann man mit Distanz besser beurteilen.
PARNASS: Schon in deiner Studienzeit hast du als großes Talent gegolten. Du bist auch – recht jung – mit 20, an die Akademie der bildenden Künste Wien gekommen.
Eigentlich bin ich froh, dass ich schon so früh beginnen konnte, Kunst zu studieren. Dafür habe ich relativ lange gebraucht – das ist das Gute an einem Kunststudium, man hat Zeit, sich auszuprobieren. Anders als bei einem Studium, bei dem man vor allem Inhalte lernen muss, muss man hier erst einmal seine eigenen Fähigkeiten erforschen.
Gunter Damisch war mein erster Professor, er hat mich sehr unterstützt. Weil ich bei jeder Präsentation vollkommen unterschiedliche Arbeiten zeigte, meinte er einmal, er würde bei mir gerne eine Zeitreise machen, um zu sehen, was am Ende wohl aus meiner Kunst wird. Ich würde das auch gerne wissen!
PARNASS: Der Prozess ist immer Teil deiner Arbeit.
Meine Arbeit entwickelt immer aus dem Tun heraus weiter und ich limitiere mich nicht wirklich, aber wenn etwas gut angekommen ist, wollte ich wieder das Gegenteil davon machen. Etwas einfach fortführen und geplantes Arbeiten hat nie gut für mich funktioniert.
Wenn mich etwas langweilt, kann ich es nicht mehr tun. Wie das realistische Zeichnen, das wurde mir irgendwann fad.
Oft ist es schwer sich zu entscheiden, welcher Spur man nun folgt. Vor allem in Zeiten, in denen ich viel arbeite und viel im Atelier bin, kommen die meisten Ideen. Manchmal sprudelt es nur so heraus und es fällt mir schwer, Ideen auch wieder zu verwerfen. Aber wenn ich einmal ein paar Tage rauskomme und nicht arbeite, fühlt es sich an, als müsste ich wieder bei Null beginnen – so als hätte ich in meinem ganzen Leben noch kein Bild gemalt …
PARNASS: Von der realistischen Zeichnung bist du nun zu intuitiven Bildinhalten zwischen Abstraktion und Figuration gekommen.
Meine Bildinhalte beginnen meist mit einer figurativen Idee, die ich dann zu einer abstrakten Metapher weiterentwickle. Im Grunde ist es für mich dann spannender, im Prozess eine malerische Erzählung zu entwickeln, als einen erzählerischen Inhalt wiederzugeben.
PARNASS: Dein eigener Stil kommt von der ungewöhnlichen Kombination aus Acryl- und Tuschefarbe – wie funktioniert diese Technik?
Es gibt eine Untermalung, dann arbeite ich mit Tusche darüber. Solange diese noch nass ist, wasche ich sie im Schwemmbecken wieder ab. Das kann auch in mehreren Vorgängen geschehen, sodass Vorder- und Hintergründe entstehen, das sieht man bei den Steinarbeiten ganz gut. In der Zeichnung bleibt der Hintergrund von selbst stehen, das Papier färbt sich leichter als die Leinwand – daher muss man sie vorher untermalen. Ich arbeite aber auch gerne auf Papier, in der Zeichnung kann man schneller in viele Richtungen gleichzeitig gehen.
PARNASS: Deine Ästhetik ist oftmals sehr schematisch, dann wieder ornamenthaft.
Am meisten freut es mich, wenn ein Bild funktioniert, das ganz abstrakt ist, das ist aber am schwersten.
Aber eigentlich möchte ich mich nicht in Kategorien wie abstrakt oder figurativ einordnen, in dieser Hinsicht sehe ich mich eher als Zeichner denn als Maler.
In der Zeichnung kann man leichter verschiedene Herangehensweisen vermischen, eine Skizze auf Papier lässt sich schneller verwerfen als eine große Leinwand. Am meisten mag ich Bilder, die abstrakt sind, aber sich anfühlen, als hätte ich eine lebendige Form vor mir. Wie ein Gegenüber, das charakterlich wie eine Person funktioniert.
PARNASS: Was die Farben betrifft, bleibst du eher gedeckt.
Ich habe lange nur schwarz-weiß gearbeitet, die erste Farbpalette ergab sich aus der Erkenntnis, dass unterschiedliche schwarze Tuschen beim Auswaschen verschiedene Farbtöne ergeben: manche blau, andere eher violett oder rötlich. Aus diesen gedeckten Farbtönen ist das Interesse an Farbe langsam gewachsen. Ganze Bilder aus Farben aufzubauen, ist erst in den letzten Jahren reizvoll geworden. Das hängt vielleicht mit der Interessensverschiebung von der Linie in der Zeichnung hin zur Fläche in der Malerei zusammen.
Ich mische fast alle Farben mit Weiß – es fasziniert mich, dass sich eine einzige Farbe in alle Nuancen verändern kann, wenn sich die Mischverhältnisse ändern.
PARNASS: Eine Zeit lang hast du auch mit Rahmen für deine Arbeiten experimentiert, dann waren es mehr Bildobjekte, nun hältst du dich eher wieder an die Fläche, warum?
Vielleicht kommt das wieder, das schließe ich nicht aus. Es war gut, sich eine Zeit lang nur auf die Malerei beziehungsweise auf die Leinwand zu konzentrieren. Es wurde mir irgendwann zu skulptural, es gibt ja sehr spannende Rahmen aus allen möglichen Materialien. Ich wollte mich auf die Malerei fokussieren, sie ist schließlich das kompromissbehaftetste Medium der Kunst. Obwohl – Kunstmachen ist eigentlich immer ein Kompromiss.
Denken kann man sich alles Mögliche, sobald man es ausführt, muss man Abstriche machen.
In der Malerei gibt es diesen fixen Rahmen, der ist nicht versteckt, sondern ganz klar definiert. Und innerhalb dieses Rahmens hat man doch wieder unendlich viele Freiheiten.
PARNASS: Was bedeutet nachhaltig #jungbleiben für dich?
Gar nicht erst über solche Fragen nachzudenken – ich bin jung…
INFOS
Kommende Ausstellung
fallen forms
Mathias Hanin – Michael Kienzer – Milan Mladenovic – Christian Rothwangl – Paul Wagner
Essingers Art Club im Essinger Haus
- November bis 15. Jänner 2013, Sa & So 14 bis 18 Uhr
Text: Paula Watzl
Fotos/Credits:
Studio Ungarn (c) Daniel Pabst
Studio Wien (c) Tanja Messner
Studio Wien (c) Moritz Zangl
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