Studio Visit: Pascal Sender

Pascal Sender greift in seinen Werken die zunehmende Digitalisierung auf und überführt diese in diverse Medien. Er ist auf einer kontinuierlichen Suche nach Motiven des alltäglichen Lebens, die er in unterschiedliche Wahrnehmungsebenen transferiert. Die Figuren transformiert der Künstler zu abstrakten, dynamischen Gebilden, die in ihrer eigenen Welt gefangen zu sein scheinen. In einigen dieser analogen Malereien auf Leinwand fügt Pascal Sender dem Bild eine weitere virtuelle Ebene hinzu. Eine vorprogrammierte APP erweckt seine Werke zum Leben.

Die Besucher:innen interagieren analog und digital mit ihren Smartphones vor dem Bild und haben die Chance in ein erweitertes Feld der Figuration einzutauchen. Die Motive bewegen sich durch die Augmented Reality und wachsen aus dem Bild hervor. Die analoge, zweidimensionale Malerei verwandelt sich durch das Handy in eine virtuelle, plastische Form. Der Künstler kreiert eine Beziehung zwischen dem malerischen Motiv und dem/der Betrachter:in durch die vorprogrammierte App und den abgebildeten Attributen. Das Gesicht der Besucherin oder des Besuchers ist durch die App Teil des Kunstwerks. Durch das Smartphone ist es möglich die virtuellen Formen zu berühren und mit ihnen individuell zu interagieren.

 

PARNASS: Du bist in der Schweiz aufgewachsen und für das Studium an der Kunstakademie nach Düsseldorf gezogen, wo du 2013 deinen Abschluss als Meisterschüler bei Prof. Peter Doig gemacht hast. Was hat dich damals an der Kunstakademie Düsseldorf fasziniert?

So gut wie alles. Die Akademie als Institution, aber auch das Konkret-Materielle, das Architektonische. Unter der Leitung von Markus Lüpertz waren die Flure voll mit Bildern, bis oben hin. Es war eine spannende, geladene Energie an der Akademie. Ich fand da eine wunderschöne Freiheit und konnte mich über Jahre mit einer enormen Vielzahl anderer internationaler Künstler und Künstlerinnen vergleichen und austauschen.

Dank Peter Doig konnte ich 2014 auch einen Austausch nach London machen, was mich sehr inspirierte und anspornte es längerfristig zum Studium nach London zu schaffen, was nach abermaligem Bewerben dann auch geklappt hat 2018.

 

PARNASS: Nenne mir drei Punkte, die dich in Düsseldorf stark geprägt haben.

Freiheit, ein starker Fokus auf die Malerei und die analogen Techniken der Kunstproduktion.

 

 

PARNASS: Aktuell studierst du an der Royal Academy in London und pendelst zwischen Düsseldorf und London. Inwiefern unterscheiden sich das Studium und die Kunstszene der beiden Städte?

Ich bin nach London gegangen, weil ich für mich eine neue Sprache finden wollte innerhalb der Malerei. Es ist schwierig die beiden Hochschulen miteinander zu vergleichen. In London kommt eine weitere sowohl räumliche als auch institutionelle Verflechtung hinzu, denn die Malschule ist ja gewissermaßen in das Museum der Royal Academy integriert. Durch das hauseigene Museum sind auch Arbeiten etablierter Künstler:innen präsent, sodass man direkt an der Materie ‚lernen‘ kann.

 

PARNASS: Im Sommer findet dein Abschluss in London statt, was planst du zu zeigen?

Ich habe über die gesamte Studienzeit ein visuelles Tagebuch auf meinem Handy geführt.

 

Das sind um die 600 Werke, die alle ausschließlich unterwegs entstanden sind – sozusagen „on the go“.

 

Mehrere dieser digitalen Malereien habe ich dann auf Leinwand weiterverarbeitet und wiederum mit einer neuen digitalen Augmented Reality Ebene ‚veredelt‘. Eine Auswahl dieser Werke werden zum Abschluss als Buch veröffentlicht, mit der dazu selbst produzierten App.

 

PARNASS: Wie bist du zur digitalen Kunst gekommen? Haben dich Computerspiele inspiriert?

Ich habe 2015 mit Stop-Motion-Videos angefangen, wo ich malerisch Rauminstallationen dokumentiert habe und über das Video den Prozess lebendig werden lassen konnte. Dann spitzte es sich weiter zu, als ich mir nach meinem Abschluss eine Webseite bauen wollte. Und seitdem habe ich im Grunde nicht aufgehört daran zu arbeiten – spielerisch und endlos. Und ja, war süchtig nach Zelda auf dem Gameboy. Und definitiv ist mein Ästhetikempfinden sehr von all diesen Bildinhalten geprägt.

 

Aber neben dem Interesse am Bewegtbild reizt es mich vor allem, wenn Kunstwerke interaktiv sind, spielbar, ohne Anfang oder Ende.

 

D.h. für mich ist es entscheidend, dass sie auch mit einer Zufälligkeit versehen sind, was über das Programmieren fast schon malerisch auf unzählige Arten und Weisen passieren kann.

 

PARNASS: Wann hast du angefangen Apps zu bauen?

Die Entwicklung von Apps habe ich mir selbst online beigebracht. Die erste App habe ich 2019 fertiggestellt für meine Soloshow in der Galerie Saatchi Yates in London.

 

 

PARNASS: Inwiefern spielt das interaktive Element mit dem/der Betrachter:in eine Rolle in deinen Werken?

Das Interaktive spielt eine große Rolle für mich, auch wenn es den Betrachter:innen selbst überlassen ist, ob sie auf dieser interaktiven Ebene oder auf der klassischen bleiben wollen, da ich genauso mit dem Ölgemälde überzeugen möchte. Nimmt man jedoch das Handy zur Hand und richtet es auf ein Werk, dann tut sich aus meiner Sicht eine noch größere Spielwiese auf, die mich immer wieder aufs Neue reizt.

 

Neben dem Einbeziehen von Betrachter:innen kann ich über Mathematik eine auf die Viewer zugeschnittene Perspektive generieren, die dann auch noch spielerisch kontrollierbar ist.

 

Als Beispiel zeige ich immer eine Arbeit, bei der das Bild im Digitalen übersetzt als frei fliegender Stoff auftritt, was man dann wieder über die Handybewegung beeinflussen kann, ohne dass man es merkt, so als wäre man der Wind.

 

PARNASS: Was hat dich dazu bewegt eigene Apps zu deinen Kunstwerken zu entwickeln?

Die grundsätzliche Herausforderung besteht für mich darin an einer malerischen Illusion von Perspektive zu arbeiten. Ich suche non-stop nach Wegen den digitalen malerischen Prozess zu verbreiten und zu präsentieren. In der App kann ich alles verpacken und habe dort Kontrolle. Da ich auch einige Face-Filter und Weiteres z.B. auf Instagram verbreite und diese digitalen Kunstflächen wahrnehmen will, war es mir umso wichtiger selbst einen Weg zu finden meine Werke eigenständig mit Augmented Reality zu versehen.

 

 

PARNASS: Was beeinflusst dich im Alltag?

 

Die News, Schach und Ping-Pong ! Die meiste Inspiration finde ich aber auch in der Musik.

 

PARNASS: Gibt es ein Lied, das dich dazu animiert hat ein Bild zu entwickeln?

Ja. Clément Froissart – Peupleraie

Das Lied ist digital in einem meiner Ölgemälde verankert. Konkret bedeutet das, ich habe den Song mit dem Bild verknüpft und wenn man es sich über die App anschaut, kann man den Song in dem Sinne verräumlicht hören, also wahrnehmen, dass es lauter wird, je näher man kommt und leiser aus der Ferne. Ich sample generell häufig Musik und auch allerlei Visuelles über die AR-App in meine Bilder hinein. Narrative Elemente, Malerei, Musik und das Interaktive verbinden sich darin.

 

PARNASS: Was sind deine Ausstellungspläne für dieses Jahr?

Im Museum Haus Opherdicke in Holzwicke zeige ich zwei Werke im Kontext des Porträts im Dialog mit Arbeiten des Kubismus aus der Sammlung Frank Brabant. Dort präsentiere ich eine Plastik, die mit Hilfe einer VR-Brille und dem 3D-Drucker entstanden ist. Eine Art plastische Malerei.

Im Sommer nehme ich zudem an der Gruppenausstellung ‚Die Grosse‘ im Kunstpalast Düsseldorf teil. In dem ausgestellten Bild sind hunderte Namen aus einem Livestream verankert. Die Zuschauer:innen konnten mir live bei der Produktion zusehen und sich über Kommentare im Bild manifestieren. Mich interessierte es sehr, wie ich aus Social Media ein Tool entwickeln kann und neben diesem Namenskonzept habe ich auch malerische Experimente mit Zuschauer:innen gemacht, bei denen sie z.B. über simple Anweisungen wie ‚hoch‘ und ‚runter‘ etc. meine Hand mit Stift steuern konnten und so über mich gemeinsam etwas zeichneten.

 

PARNASS: Was bedeutet nachhaltig #jungbleiben für dich?

Freude am Kreativsein nicht zu verlieren und immer nach neuen Challenges zu suchen.

 

 

 

 

Digitale Arbeit von Pascal Sender: https://www.pascalsender.com/working.html

Text: Wilko Austermann

Abbildungen © Pascal Sender
www.pascalsender.com

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