
Studio Visit: Veronika Hilger
In ihren Werken liegt etwas Geheimnisvolles. Formen und Bildwelten wirken oft vertraut, entziehen sich aber einer klaren Definition. Veronika Hilger (*1981) verbindet Landschaft und Stillleben mit Abstraktion. Wie dieses Spannungsfeld entsteht, welche Formen dabei eine besondere Rolle spielen und welche Bedeutung Keramik in ihrer Arbeit hat, erzählt die Künstlerin beim Besuch in ihrem Atelier in München.
PARNASS: In deinem kürzlich erschienenen Katalog sagst du: „Die wichtigste Quelle für meine Bilder ist die Beschäftigung mit der Malerei selbst“ – wie ist das zu verstehen?
Damit meine ich einerseits eine Offenheit im Malprozess, in dem sich das Bild in mehrere Richtungen entwickeln kann, ohne dass eine fixe Idee das Bild von vornherein zu sehr beherrscht. Andererseits geht es darum, was davor da ist: eine vage Vorstellung von bestimmten Versatzstücken, die ich in einem Bild zusammentragen und verbinden will.
PARNASS: Das Einbeziehen verschiedener Gattungen wäre auch eine Richtung gewesen, an die ich bei der Aussage dachte.
Ja, das hat mit diesen unterschwellig präsenten Dingen zu tun: Das können formale Bezüge zu bestehenden Bildern, zu Konzepten in der Malerei, bestimmten Genres oder Stilen sein. Dadurch hat man einen direkten Bezug zur Geschichte der Malerei und alldem, was ein Stillleben z.B. assoziativ mitbringt. Gleichzeitig ist es möglich, dass sich eine Art Stillleben mit reiner Abstraktion oder etwas Lebendigem verknüpft, was konträr dazu wäre.
PARNASS: Deine Bilder bewegen sich ja sehr stark im Spannungsfeld zwischen Figuration und Abstraktion … wie entwickelt sich das?
Was häufig stattfindet, ist, dass sich beim Malen unmittelbar Interpretationen aufdrängen. Wenn mir etwas zu eindeutig vorkommt, versuche ich es wieder mehr zu öffnen, bis für mich ein bestimmter Grad an Auflösung und Klarheit erreicht ist, der spannend ist.
Es gibt abstrakte Formen, die trotzdem sehr bestimmend sind: zum Beispiel alles, was an Körper oder an Pflanzen erinnert.
Das finde ich aber in Ordnung, weil das Dinge sind, mit denen wir über die Jahre viele Erfahrungen gesammelt haben, so dass sie ein großes Spektrum an Assoziationen zulassen und eine Erzählung nicht zu sehr festlegen. Wie kleine Archetypen.
PARNASS: Also würdest du sagen, dass die organischen Formen und die Landschaftseindrücke, die man in deinen Bildern sieht, die Rolle dieser Archetypen erfüllen?
Ja, im besten Fall können sie neben persönlichen Assoziationen auf etwas Allgemeineres verweisen. Die Landschaft spielt für mich dabei eine besondere Rolle, weil man hier eine Welt bauen kann, in der etwas stattfindet – auch wenn sich das dann in Abstraktion verliert. Man ist sofort in ein Konstrukt reingesaugt, das finde ich irgendwie toll – das stellt direkt einen starken emotionalen Bezug her.
PARNASS: Das ist eigentlich auch interessant, den Kontrast in deinem Atelier zu haben – mit der mehrspurigen Straße vor der Tür und in vielen deiner Bilder passiert scheinbar das Gegenteil.
Meine Arbeiten haben nicht so viel mit Bildern zu tun, die draußen gemalt werden könnten. Das sind eher Atelierbilder mit längeren Trocknungszeiten, Übermalungen und so weiter.
Die Landschaft ist auch nicht in allen meinen Bildern präsent, selbst wenn es oft Bezüge zur ihr oder zur Natur gibt.
Genauso gibt es da auch das Künstliche oder Menschengemachte. Wenn ich in meinem Atelier auf dem Land arbeite, hat das eigentlich kaum eine Auswirkung auf die Ästhetik der Bilder.
PARNASS: Wie bist du eigentlich zur Malerei gekommen?
Ich denke, das hat in der Pubertät angefangen. Ich bin in einer kleineren Stadt aufgewachsen, wo es kaum Kunst zu sehen gab. Nach der Schule bin ich oft in der Stadtbücherei gewesen und habe dort CDs gehört und Kunstkataloge angeschaut. Zuhause habe ich dann versucht, Dinge nachzumalen, verschiedene Techniken ausprobiert und gezeichnet. Direkt nach dem Abitur konnte ich mir aber noch nicht vorstellen, Künstlerin zu werden.
PARNASS: Und wie kam es dann doch dazu?
Ich war mir auf jeden Fall sicher, dass ich mit Kunst zu tun haben will, habe mich aber auch für soziale Dinge interessiert und dann angefangen, Kunstpädagogik, Psychologie und Ethnologie zu studieren. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass ich eigentlich vor allem selber malen will und bin an die Akademie gegangen, um Malerei zu studieren.
PARNASS: Du machst ja auch Skulpturen. Wann sind die Keramiken Teil deiner Arbeit geworden?
Das war erst gegen Ende des Malereistudiums. An der Münchener Akademie gibt es tolle Werkstätten und Keramik hat mich besonders interessiert, weil ich finde, dass sie als Medium recht nahe an der Malerei ist. Der Ton hat eine Weichheit in sich, die auch die Ölfarbe charakterisiert und gleichzeitig steckt bereits von Anfang an eine Festigkeit in dem Material.
Diese Widersprüchlichkeit mochte ich gerne.
Außerdem hat mich auch interessiert, wie ich das, was ich malerisch entwickelt habe, ins Dreidimensionale übersetzen kann.
PARNASS: Also würdest du sagen, dass darin die Bedeutung der Skulptur im Gegensatz zur Malerei für dich liegt? Die Entwicklung ins Dreidimensionale?
Ja, mich fasziniert, dass etwas Feinstoffliches wie eine Idee oder Formen, die auf Basis der Malerei entwickelt wurden, sich in einem Objekt manifestieren können und damit präsenter werden.
PARNASS: Was ist dein liebster Teil deiner künstlerischen Praxis?
Was ich tatsächlich ganz gern mag ist aufräumen… (lacht).
Naja, am allerbesten ist es, wenn ich es schaffe, ein Bild, das mir große Schwierigkeiten bereitet hat, noch zu drehen: dieser Moment ist der schönste.
PARNASS: Was bedeutet nachhaltig #jungbleiben für dich?
Eigentlich einfache Dinge: in der Natur sein, gesundes Essen, neugierig und flexibel bleiben, zuhören, sich begeistern, tief eintauchen, gute Beziehungen: Im Prinzip auf sich achtgeben, aber halt nicht nur auf sich selbst.
Text: Judith Koller
Fotos © Sebastian Kissel
Foto Keramik © Michael Schütze
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