c/o vienna: Fotografin des Monats: Lisa Edi Mutter und Natur

LISA EDI (*1989) ist eine österreichische Fotografin. Ihre Spezialität sind neben Porträts und Mode das vermeintlich Nebensächliche, das oft mehr GESCHICHTEN erzählt als das große Motiv.

Stillleben sind ein großer Teil Deiner Arbeit. Sie stellten in der Kunstgeschichte schon immer mehr dar als ein stilles Leben”. Sie waren nicht nur die Abbildung unbelebter Objekte, sondern boten auch tiefere Bedeutungsebenen. Wie stehst Du dazu?

Ich bin keine typische Stillleben-Fotografin. So sehr ich die Interaktion mit Menschen schätze, beim Fotografieren ist es angenehm und abwechslungsreich, Dinge zu fotografieren, die mal nicht zurückreden. Das gibt mir Kontrolle über sie. Ein Bild sollte nicht alles erzählen. Wenn ich ein Foto sehe, das mir jede Antwort liefert, langweilt es mich! Aber egal, welches fotografische Genre ich bearbeite, bildgebende Medien beeinflussen maßgeblich unsere Wahrnehmung und formen somit gesellschaftliche Strukturen. Das ist schon etwas, das ich beim Fotografieren mitdenke.

Ich finde, man sieht Deinen Fotos an, dass Du Fashion und Bildhauerei studiert hast! 

Mein Modebezug zeigt sich wahrscheinlich am meisten in meiner Vorliebe für Stofflichkeit und Haptik bei Bildern. Während meines Studiums hatte ich außerdem die unterschiedlichsten Nebenjobs und das handwerkliche Know-how aus dieser Zeit hilft mir in vielen Bereichen meiner Arbeit. Wer lernt, große Strickmaschinen zu bedienen, hat im Übrigen auch weniger Angst vor komplizierter Lichttechnik. 

Analog zu fotografieren ist ein großer Trend, der nicht nachlassen will. Es gäbe genug Filter, ihn zu imitieren. Analoge Fotos werden ja meistens wieder digitalisiert. Was magst Du daran?

Ich genieße die Entschleunigung. Analoge Fotografie ist ein ganz anderer Zugang. Nicht Tausende gleiche Bilder zu machen, sondern mehr mit Bedacht zu fotografieren. Ich mag es sehr, dass ich mir dadurch Zeit am Computer spare ich bin lieber draußen in der Natur als im Büro. Ich fotografiere allerdings auch sehr gerne digital. Ich bin da nicht dogmatisch, wenn es um die Frage geht, ob auf Film oder digital. Ich habe mir mit der Zeit beigebracht, mit meiner digitalen Kamera so umzugehen, als würde ich auf Film fotografieren.

Bereust Du manchmal, analog gearbeitet zu haben, weil Fehler nicht mehr auszubessern sind?

Die analoge Technik hat den Ruf, anfälliger für Fehler zu sein, ist sie aber nicht. Wenn ich analog fotografiere, habe ich das Bild vor Augen, ich brauche nicht seine Übertragung auf den Bildschirm. Ich weiß also ziemlich genau, was ich tue. Was ich auch mag, ist, wenn durch vermeintliche Fehleretwas Neues entsteht, aber das kann nur in einem Rahmen geschehen, innerhalb dessen Experimente möglich sind.

Kann man bei digitaler Fotografie nicht viel spontaner sein?

Nein, ich empfinde es genau andersherum. Die Einschränkungen, die das Fotografieren auf Film mit sich bringt, geben mir viel Freiheit. 

Von der schönen Kunst lebt der Mensch bekanntlich nicht allein. Als Fotografin sollte man auch für kommerzielle Kundinnen shooten. Musst Du dabei zuweilen über Deinen Schatten springen? 

Nein, ich betrachte das Fotografieren oft einfach nur als meinen Job das heißt tatsächlich, dass ich mich sehr selten wirklich zu hundert Prozent verwirklichen kann. Ich mag es, mich an den Rahmenbedingungen abzuarbeiten. Große Produktionen sind oft mit viel Verantwortung verbunden, und Verantwortung zu übernehmen, fällt mir nicht schwer. Ich mag es trotzdem sehr, in einem ruhigen Setting zu arbeiten je mehr Leute am Set sind, desto mehr muss ich mir Ruhe einfordern. Das ist etwas, das ich im Prozess gelernt habe. 

Wie sieht Dein typischer Alltag aus?

Der existiert nicht. Ich teile mir mein Studio mit drei Grafikdesignerinnen dieser Ort ist ein Fixpunkt im Leben, sonst gestaltet sich jeder Tag anders und neu. Als Mutter eines kleinen Kindes ist das natürlich herausfordernd. Es gibt keine Routine, aber ich genieße trotzdem meine Flexibilität als Selbstständige. 

Wie schaffst Du es, Hobbys, Job, Kreativität und Muttersein in Einklang zu bringen?

Da muss ich eine Frage zurückstellen: Was heißt schaffen? Ich weiß, dass ich in einer privilegierten Situation bin. Mein Partner ist auch selbstständig und wir können uns vieles selbst einteilen, aber selbstständig mit Kind bedeutet definitiv vieles nicht schaffen”! 

In Deiner Fotoserie AM SEE thematisierst Du das Bedürfnis nach Freiheit und die Ambivalenz der Mutterschaft. Erzähle uns etwas darüber!

Es hat für mich einige Zeit gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie ich als Mutter sein will. Die Fotoserie AM SEE war ein Weg, mich damit auseinanderzusetzen. Fotografieren schafft für mich Distanz. Sie hilft mir, Situationen zu verstehen – selbst wenn ich die Bilder später nicht publiziere. Fotografieren lässt mich Dinge verarbeiten. Gerade am Anfang der Mutterschaft war das wichtig für mich. Ich habe mich vor der Geburt meines Kindes sehr über meine Arbeit definiert – auf einmal ging das nicht mehr, da gab es dann ganz andere Prioritäten. Die Kamera gab mir Halt in dieser Zeit.

Deine Fotos sind manchmal wie ein kindlicher naiver Blick auf die Welt, ganz unvoreingenommen eben. Wie erklärst Du Deinem Kind Deine Arbeit?

Meinem Kind muss ich eigentlich gar nichts erklären. Daheim liegt immer irgendwo eine Kamera herum und er ist unter anderem –  mit meinem Blick auf die Welt aufgewachsen. Ich finde ihn extrem lustig, das überträgt sich auch auf meine Arbeit (lacht).

Wie stehst Du als Fotografin zu Künstlicher Intelligenz?

Ich finde das Thema spannend und furchteinflößend zugleich. Ich versuche, meine digitale Arbeit zu reduzieren weniger am Bildschirm zu sitzen, mehr in der Realität zu sein. Ich habe nicht mal Instagram auf meinem Handy. Ich verspüre einen Widerstand, KI zu benutzen, aber eher als Folge des kapitalistischen Optimierungswahns. Ich finde es trotzdem wichtig, technische Entwicklung nicht reaktionär zu betrachten. 

Im Mai 2025 hast Du Dein Projekt „Rest in Dispeace“ publiziert

… ich habe versucht, eine visuelle Sprache für die Folgen der Klimakrise zu finden, die mit unserem Alltag zu tun hat. Die Arbeit besteht aus zwölf Plakaten, die Fakten vermitteln. Der Titel der Serie Rest in Dispeace spielt zum einen auf das Verabschieden an, von Landschaften, Gewohnheiten und Sicherheiten. Außerdem soll es aber eine Aufforderung sein, sich mit den Umständen nicht abzufinden. Ich wollte eine Arbeit zu diesem Thema produzieren, die die Menschen auch erreicht ohne moralischen Zeigefinger.

Auf Deinem Instagram-Account @youbuiltthis zeigst Du selbstgebastelte Objekte Deines Kindes, die Du fotografierst. Ein Bild zeigt My bread is a garden, eine Semmel mit Schnittlauch senkrecht. Sehr lustig!

Ja, ich finde es schön, mit ihm gemeinsam diese schöne Welt zu entdecken.

Hoffen wir, dass sie so schön bleibt! Danke für das Gespräch.

LISA EDI (@lisaedi) wurde 1989 in Schärding, Oberösterreich, geboren. Sie lebt und arbeitet in Wien als Fotografin in den Bereichen Mode, Porträt und Stillleben. Sie studierte Mode, Critical Studies und Fotografie und schloss 2019 ihr Diplomstudium der Fotografie an der Universität für angewandte Kunst Wien ab.

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