Urologie entstigmatisieren: Fragen, die Männer nie stellen, aber sollten – Im Gespräch mit Dr. Maria “Ria” Sprinz
Dr. Maria „Ria” Sprinz ist Urologin und räumt auf TikTok und Instagram mit Mythen und Unsicherheiten rund um ein oft gemiedenes Fach auf. Warum Vorsorge kein Alter kennt, was ein starker Beckenboden mit Alltagswohlbefinden zu tun hat und warum Männer ruhig öfter über Gesundheit sprechen sollten.
Ria, du sprichst online über Themen, über die viele nicht mal offline reden. Was war der Moment, in dem dir klar wurde: Das braucht Sichtbarkeit?
Das kam schon ganz früh! Als ich meinen Freund*innen erzählt habe, dass ich Urologin werden möchte, waren viele erstmal baff. Viele konnten sich gar nicht vorstellen, dass ich als Frau dieses Fach gewählt habe, weil den meisten gar nicht bewusst ist, worum es in der Urologie eigentlich geht. Der Urologe (bewusst nicht gegendert) ist für viele einfach nur ein Männerarzt, der sich um die Erkrankungen des alternden Mannes kümmert. Dass wir auch sehr viele junge Patienten und Patientinnen (!) behandeln, wissen nur die Wenigsten. Zudem habe ich das Gefühl, dass es glücklicherweise schon sehr viele tolle Accounts für gynäkologische Themen gibt, aber urologische Erkrankungen bislang kaum vorkommen. Das wollte ich ändern.

Fotos © CHOUCRI BECHIR
Warum ist ausgerechnet die Urologie ein Fach, das so stark mit Scham besetzt ist, besonders bei Männern?
Man könnte jetzt alle Stereotypen erfüllen und sagen: Weil Männer zu wenig über ihre Gesundheit sprechen. Aber das wäre viel zu eindimensional. Ich erlebe sehr viele Männer, denen ihre Gesundheit sehr wichtig ist und die sehr genau merken, wenn etwas nicht stimmt. Dadurch, dass es vor dem 45. Lebensjahr kein routiniertes Check-Up beim Urologen:in gibt, hatten viele Männer noch nie Kontakt zur Urologie. Viele wissen also gar nicht, was dort passiert. Unwissen führt zu Unsicherheit.
Viele vermeiden den ersten Urologietermin. Was würdest du jemandem sagen, der zögert, weil „da eh nix ist“?
Dass es wirklich keinen Grund zum Zögern gibt! Die urologische Untersuchung ist nichts, wovor man Angst haben muss. Und falls doch etwas gefunden wird, gilt: Je früher, desto besser. Viele Erkrankungen lassen sich in einem frühen Stadium einfach und gut behandeln – deshalb lohnt es sich allemal!
Was müsste passieren, damit Vorsorge genauso selbstverständlich wird wie Fitness, Ernährung oder Zahnhygiene?
Wir brauchen noch mehr Aufklärung darüber:
- Was bei der Vorsorge passiert/Wie die Vorsorge abläuft
- und warum es sich lohnt, zur Vorsorge zu gehen.
Gleichzeitig ist es natürlich wichtig, eine flächendeckende urologische Versorgung zu gewährleisten, damit auch jedem der Zugang zur Vorsorge gewährt wird.

Gibt es Themen, bei denen dich selbst überrascht, wie wenig Wissen oder wie viel Unsicherheit herrscht?
Da fällt mir direkt das Thema Beckenboden ein. Viele wissen gar nicht, dass sie einen Beckenboden haben, geschweige denn, wie man ihn anspannt oder trainiert. Dabei kann ein bewusster und starker Beckenboden den Alltag wirklich erleichtern! Er beugt vor Inkontinenz vor, unterstützt eine aufrechte Haltung und kann sogar das Orgasmusempfinden verbessern. Es lohnt sich also, sich mal mit dem Beckenboden zu beschäftigen! .

Foto © Dr. Maria “Ria” Sprinz
Du arbeitest bewusst inklusiv. Warum ist das gerade in der Urologie wichtig – und was verändert es?
Mir ist es wahnsinnig wichtig, niemanden mit meiner Sprache auszuschließen. Ich möchte alle Patient:innen ansprechen und ermutigen, sich urologische Hilfe zu suchen – unabhängig von Geschlecht oder Identität. Gleichzeitig vertrete ich damit auch meine Kolleg:innen. Denn wie oft passiert es, dass sich nach meiner Visite jemand beschwert, dass der Herr Doktor ja noch gar nicht da war. Alte Rollenbilder sitzen leider noch ziemlich tief.
Gibt es eine Geschichte oder ein Feedback aus der Community, das dir besonders nahegegangen ist?
Ich freue mich jedes Mal riesig, wenn mir jemand schreibt, dass er oder sie sich aufgrund meines Contents einen Termin bei einem/einer Urologen:in gemacht hat und alles gar nicht so schlimm war, wie gedacht. Das motiviert mich total, weiterzumachen.
Wenn wir über Zukunft sprechen: Was wünschst du dir, wie Urologie in zehn Jahren wahrgenommen wird?
Als Fachgebiet, über das offen gesprochen wird. Urologische Themen auf der nächsten Dinnerparty? Ich wäre Fan davon!
Und zum Schluss: mild, prickelnd oder ohne?
prickelnd!