Kalt & klar: Was Eisbaden mental (und nicht nur körperlich) bringt – Im Gespräch mit Josef Köberl
Weltrekorde im Eiswasser, Minuten in der Gletscherspalte, Training bei unter Null: Josef Köberl hat sich der Kälte verschrieben – und dabei etwas gefunden, das über körperliche Grenzen hinausgeht.
Josef, du hast Weltrekorde im Eis aufgestellt – kannst du dich an deinen allerersten Moment im Eis erinnern? Was ist damals in deinem Kopf passiert?
Ja gut, also die erste bewusste Einheit im kalten Wasser war im Entlastungsgerinne in Wien. Ganz verzwickt stand ich im Wasser. Die Schultern hochgezogen und leicht zitternd – bei 12 Grad Wassertemperatur an einem frischen Sonntag im Oktober 2012. Ohne mein Ziel den Ärmelkanal zu durchqueren, wäre ich am liebsten davongelaufen. Es war hart und ich machte viele Fehler.
Viele verbinden Kälte mit Schmerz oder Vermeidung. Was hat dich dazu gebracht, sie als etwas Kraftvolles zu sehen?
Schon beim ersten Training fühlte ich, wie die Kälte mich verwirrte. Ganz alleine im Wasser stehend überkam mich ein Gefühl der Wärme. Im 12 Grad kalten Wasser.

Fotos © Mag. Barbara Anderl
Wenn du ins kalte Wasser steigst, was verändert sich zuerst: der Körper oder der Kopf?
Es verändert mich nicht. Die Wahrnehmung und somit der Körper passen sich dem Wasser an. Mein mentaler Zustand ist vor dem ersten Schritt schon bereit. Bereit den Kampf aufzunehmen. Der Kampf mit Empfindungen, Wahrnehmungen, Reaktionen und dem hier und jetzt.
Eisbaden ist auch Atmen. Wie würdest du jemandem beschreiben, was ein bewusster Atemzug in 2 Grad Wasser bewirken kann?
Als Anfänger dient das Atmen als Maßstab für die Geschwindigkeit beim Reingehen ins kalte Wasser. Zu schnell und du kannst einen Schock erleiden. Atmung gibt uns Sicherheit.
Du arbeitest mit Anfänger:innen, die oft Angst haben. Welche Sätze oder Bilder helfen Menschen, die Schwelle zu übertreten?
Was wirklich hilft ist es, dass man den Teilnehmer:innen bewusst macht, was auf sie zukommt. Einen Wegweiser mit Stationen vorgibt. Das gibt Vertrauen und macht das Unbekannte erträglicher.

Fotos © Josef Köberl (li); Mag. Barbara Anderl (mitte und re)
Was passiert nach dem Bad? Gibt es ein Gefühl, das immer wiederkehrt, unabhängig von Ort, Tiefe oder Temperatur?
Nach dem Eisschwimmen empfinde ich immer ein tiefes Gefühl der Stärke – Dopamin! Schöne Orte, wie der Grundlsee oder Köberlsee, machen es noch schöner.
Du sagst oft, dass Kälte uns lehrt, im Moment zu sein. Was nimmt man von solchen Momenten mit zurück in den Alltag?
Den Moment der Stärke kann man sich abspeichern (Ankern – NLP). Die Emotion kann man sich dann wieder aufrufen, wenn es mal nicht so läuft.
Gab es Situationen, in denen du selbst gezweifelt hast? Und wie bist du weitergegangen?
Selbstzweifel sind das Natürlichste auf der Welt. Man darf ihnen nicht nachgeben. In der inneren Kommunikation muss man da stark bleiben und den Fokus auf die Ziele legen.
Was bedeutet für dich „Stärke“ – nach all diesen Jahren im Eis? Ist es körperliche Kraft, mentaler Fokus, oder etwas anderes?
Mein Leitsatz ist: “Nicht Härte, sondern Wärme schmilzt das Eis!“ Es ist der tief empfundene Respekt gegenüber der Kälte, die einen wachsam hält. Die Liebe zur Natur lässt einem das Schätzen, was ich hier Schönes auf Erden gefunden habe.

Wenn jemand morgen zum ersten Mal Eisbaden möchte – Was ist das Wichtigste: Vorbereitung, Technik, Haltung oder einfach Mut?
Wie bereits angemerkt, ich lehre das Eisschwimmen. Tja, gut wäre das die Person schwimmen kann und gesund ist. Es wäre auch gut sich über Do´s und Don´ts zu informieren. Aber was wichtig ist – die Person darf keine Scheu vor echter Veränderung haben. Denn die Kälte bringt Veränderung. Man muss sie zulassen.
Und zum Schluss: Was bedeutet für dich persönlich nachhaltig #jungbleiben?
Frisches Wasser ist für mich ein Jungbrunnen. Auch wenn es bei einer Querung wie den Nordkanal zwischen Irland und Schottland einmal hart wird, so steckt doch immer ein Abenteuer hinter meinen Wassererfahrungen.
Und eine Frage, die bei uns nie fehlen darf: Ohne, mild oder prickelnd?
Ohne.