Vivian Bénard: Was Kunst, Flow und Selbstfürsorge bedeutet
Vivian Bénard ist eine Künstlerin, deren Arbeiten sich leise und beständig in den Zwischenräumen zwischen Gefühl und Farbe bewegen. Ihre Malerei wirkt dabei wie offene Nervenleitungen und Synapsen, durch die sie Emotionen fließen lässt. Bénards Kunst entzündet keinen grellen Scheinwerfer, sondern lässt ein inneres Leuchten entstehen. Und wenn man sich darauf einlässt, wird man unmerklich mit hineingezogen. In eine Welt, die zwar still, aber intensiv pulsiert.
Der Beginn ihrer Werke ist oft einfach ein Impuls: ein Farbstrich, eine Geste, ein Atemzug, wie sie im Interview mit dem #jungbleiben-Magazin erzählt. Plötzlich existiert ein Raum, in dem äußere Realität und innere Welt sich überlagern. Mal ist ihre Malerei wild, expressiv, fast chaotisch; mal zurückhaltend, subtil, aber immer ehrlich und sich selbst offenbarend.
Welcher Teil deines künstlerischen Prozesses lässt dich die Zeit vergessen?
Eigentlich der Moment, in dem ich einfach loslege. Sobald die erste Farbe auf der Leinwand ist, bin ich irgendwie weg. Da denke ich nicht mehr nach – ich mache einfach. Und plötzlich sind zwei Stunden rum und ich frag mich: „Okay… wo war ich gerade?“
Wie verändert sich deine Kunst, wenn du in einem guten Flow bist – und woran merkst du, dass ein Bild „aufhören“ will?
Im Flow fühlt sich alles viel natürlicher an. Ich überlege weniger; ich mache intuitiver, ohne mich dauernd zu hinterfragen. Und wann ein Bild fertig ist… das merke ich meistens daran, dass ich automatisch einen Schritt zurückgehe und denke: „Stopp. Wenn ich jetzt noch weitermache, ruiniere ich’s.“ Das ist so ein ganz leises Bauchgefühl.
Welche Rolle spielen Bewegung und Fokussierung – körperliche oder emotionale – für deine Kreativität?
Ich bewege mich beim Malen echt viel. Ich gehe um die Leinwand herum; ich mache große Bewegungen, manchmal auch ziemlich chaotische. Das hilft mir, Emotionen rauszulassen, die im Alltag keinen Platz finden. Und dann gibt’s auch die Momente, in denen ich total still werde und mich komplett in eine kleine Stelle auf dem Bild vertiefe. Also erst Energie raus, dann Energie sammeln. So ungefähr.

Fotos © Marcel Wiest
Du beschäftigst dich mit Mental Health. Welche kleine, alltägliche Handlung fühlt sich für dich wie ein Akt der Selbstfürsorge an?
Ehrlich gesagt: Stille. Für ein paar Minuten einfach nichts und niemand. Kein Handy, kein Input. Nur kurz atmen. Oder ein kleiner Spaziergang, wenn’s geht. Ich merke sofort, wie ich wieder mehr „bei mir“ bin. Es sind wirklich die kleinsten Dinge, die am meisten helfen.
„Wann ein Bild fertig ist … das merke ich meistens daran, dass ich automatisch einen Schritt zurückgehe und denke: ‘Stopp! Wenn ich jetzt noch weitermache, ruiniere ich’s.’“
– Vivian Bénard
Was inspiriert dich derzeit außerhalb der Kunstwelt?
Gespräche, die echt sind, wenn jemand offen erzählt, wie’s ihm geht. Das berührt mich oft mehr als jedes Kunstwerk. Aber auch Alltagssachen: Mode, Architektur, Musik, Lichtwechsel. Ich reagiere sehr auf Stimmungen – wenn mich etwas innerlich bewegt, kann das später auf einer Leinwand landen.
Gibt es eine Routine, ein Ritual oder einen Gedanken, der dir hilft, deine Energie zu schützen, während du kreativ arbeitest?
Ja. Ich mache die Tür zu – wirklich und innerlich. Und ich sage mir: „Es muss heute nichts Besonderes entstehen.“ Das nimmt den Druck raus. Sobald ich nicht mehr versuche, etwas „Gutes“ zu produzieren, entsteht meistens genau das, was echt ist. Und meine Energie bleibt da, wo sie hingehört – bei mir und beim Bild.
