
Luca Bonamore im #jungbleiben Portrait
Luca Bonamore ist Tänzer, Performer und Choreograf in Wien. In seinen Arbeiten verbindet der gebürtige Italiener zeitgenössischen Tanz häufig mit Themen wie queerer Identität, Intimität und Körpern als politische Räume. Für Luca ist Tanz eine Ausdrucksform, eine Sprache mit der Gefühle und Zustände formuliert werden können, für die Worte oft nicht ausreichen. Für Vöslauer interpretierte er tänzerisch, was #jungbleiben für ihn bedeutet in einer Choreographie aus drei Akten:
Wie würdest du dich in 5 Worten beschreiben?
Ambitioniert, tiefgründig, neugierig, vielseitig & sehr gay

Fotos © DMB. I PPMNEXT_ Foto & Delia Baum
Wie hast du zum Tanzen gefunden? Leidenschaft von Kindesbeinen an oder spätes Hobby, das zu mehr wurde?
Tanzen war immer schon ein Teil von mir – aber lange einer, den ich eher im Verborgenen gelebt habe. Ich habe gerne für mich getanzt, aber nie öffentlich, weil ich Angst hatte, mein Ausdruck könnte „zu feminin“ wirken. Erst in queeren Nachtclubs fand ich einen sicheren Raum, in dem ich mich wirklich zeigen konnte. Ich begann, meinen Körper anders wahrzunehmen, mich freier zu bewegen, zu experimentieren. Die positive Resonanz dort war überwältigend – plötzlich wurde ich als Performer in den Clubs gebucht, gefeiert, ermutigt.
Mit 22 nahm ich dann erstmals professionellen Tanzunterricht und bewarb mich für das Studium Zeitgenössische Tanzpädagogik an der Musik- und Kunstuniversität Wien, das ich mit 23 begann. Heute arbeite ich als Tänzer, Performer, Choreograf und Schauspieler – und das, was früher Unsicherheit war, ist mittlerweile Teil meiner künstlerischen Handschrift geworden.

Fotos © DMB. I PPMNEXT_ Foto & Delia Baum
Inwieweit siehst du Tanz als Ausdrucksform für dich, für die Gesellschaft und ihre Misstände?
Ich verstehe Tanz als eine universelle Sprache, die sowohl individuell als auch kollektiv gesprochen werden kann. Einerseits schafft Tanz Raum für persönliche Ausdrucksfreiheit – für Emotionen, Identität, Körperlichkeit. Andererseits kann er ein Ort des Diskurses sein: ein Raum, in dem gesellschaftliche Themen sichtbar gemacht, verhandelt und in Bewegung gebracht werden. Tanz kann Vorschläge formulieren, Gegenpositionen aufzeigen und auf Missstände hinweisen – ohne Worte, aber nicht weniger deutlich.

Fotos © Demner Merlicek & Bergmann / DMB., Video: Christoph Maleh
Für mich geht es vor allem um Offenheit gegenüber dem Unbekannten – und um die Freude, neugierig zu bleiben. Tanz fordert uns heraus, hinzusehen, zuzuhören und mit dem Körper zu antworten.
Tanz kann etwas sehr Intimes sein – die Nähe und auch die Emotionen, die man porträtiert oder selbst hat. Wie gehst du damit um? Embraced du diese Intimität oder behandelst du es rein als „Job“?
Tanzen ist für mich immer mit einer gewissen Intimität und damit verbundenen Emotionen verknüpft – das bildet oft den Ausgangspunkt meiner Arbeit. Authentizität ist mir dabei besonders wichtig: Ich kann nichts darstellen, was mich nicht auf irgendeine Weise berührt oder bewegt. Je nach Kontext variiert natürlich die Intensität dieser emotionalen Ebene.

Fotos © Demner Merlicek & Bergmann / DMB., Video: Christoph Maleh
In meinen Stücken geht es oft darum, genau diesen inneren Prozess in Bewegung zu übersetzen – Emotionen und Intimität in körperliches Material zu transformieren. Allein durch diese künstlerische Auseinandersetzung entsteht für mich eine klare Abgrenzung und ein gewisser Schutzraum.
Tanz rein als „Job“ zu sehen, wäre zu langweilig. Das könnte ich nicht lange machen.

Fotos © Demner Merlicek & Bergmann / DMB., Video: Christoph Maleh
Queerness auf der Bühne ist etwas, das noch viel zu selten Platz bekommt. Siehst du aber eine Tendenz in die richtige Richtung?
Wenn wir auf die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage weltweit blicken, sehen wir eine besorgniserregende Regression in Bezug auf demokratische Rechte. Der Rechtsruck wird zunehmend spürbar – damit einhergehend auch ein Anstieg von Gewalt, Hass und Intoleranz, insbesondere gegenüber Minderheiten.
Die Absurdität liegt oft in der Vorstellung, man könne zum Beispiel Queerness einfach ausblenden. Aber Queerness ist real und Teil unserer Gesellschaft, Teil unserer Lebensrealitäten – und damit auch untrennbar mit Kunst und Bühne verbunden.

Fotos © Demner Merlicek & Bergmann / DMB., Video: Christoph Maleh
Deshalb halte ich es gerade jetzt für umso wichtiger, sichtbar zu bleiben – nicht nur für uns selbst, sondern auch für all jene, deren Stimmen durch politische Repression zum Schweigen gebracht werden und diese Sichtbarkeit auch konsequent zu leben. Für mich geht es dabei nicht primär um die Frage, ob es eine positive Tendenz in die richtige Richtung gibt, sondern darum, Präsenz als Haltung zu verstehen, als eine Form von Solidarität und Widerstand – unabhängig davon, ob sie gefeiert wird oder auf Widerstand trifft.
Denn es wird immer Menschen geben, die keine Offenheit für alles haben, was nicht ihrem eigenen Weltbild entspricht.
Umso wichtiger ist es, Räume zu halten, in denen andere Perspektiven, Identitäten und Körper selbstverständlich sichtbar sind.

Fotos © Demner Merlicek & Bergmann / DMB., Video: Christoph Maleh
Was bedeutet nachhaltig #jungbleiben für dich?
Für mich heißt das, offen zu bleiben: neugierig auf Neues, auf Menschen, auf andere Perspektiven.
Ohne, mild oder prickelnd?
PROTECT THE DOLLS!