Parnass Interview Albana Ejupi

Studio Visit: Albana Ejupi

Körper aus Sand, die sich auf farbigen Hintergründen ausstrecken: Albana Ejupi (*1994) hat eine eigene Technik entwickelt, mit der sie Inneres nach Außen trägt. Beim Besuch in ihrem Atelier in Wien erzählt sie, warum sie zum Arbeiten nicht gern nach draußen geht, wie sie Zwischenmenschliches erforscht und was Haustiere damit zu tun haben.

 

PARNASS: Du hast deine Ausbildung im Kosovo begonnen und dann an der Akademie der bildenden Künste Wien weitergeführt. Wie kam es dazu?

Genau, im Kosovo habe ich Malerei an der dortigen Akademie studiert. Ich habe den Bachelor und Master gemacht, aber nur für Malerei. Ich bin nach Wien gekommen, um mit der Bildung weiterzumachen und mich zu vertiefen. Die Stadt hat mir immer sehr gut gefallen, ich liebe die Architektur – aber um ehrlich zu sein habe ich nicht erwartet, dass ich so lange bleibe. Seit ich hier bin, arbeite ich mit der Galerie Lukas Feichtner, das läuft gut. Deshalb habe ich mich entschlossen, auch noch mit dem PhD weiterzumachen.

 

 

 

 

PARNASS: Es läuft sozusagen bei dir!

Ja, in den kommenden Monaten habe ich einige Ausstellungen in Graz, Salzburg, Düsseldorf und Podgorica. Nach der Pandemie wird es jetzt endlich besser. Die Zeit war schwierig. Ich habe zwar immer weitergearbeitet, aber Kunst ist einfach Luxus. Und in dieser belastenden Zeit haben Leute nicht viel für diesen Luxus ausgegeben.

 

PARNASS: Wir sind in deinem Studio im 5. Bezirk, in dem du gleichzeitig lebst und malst.

Hier bin ich seit eineinhalb Jahren, aber ich habe auch zuvor immer am selben Ort gewohnt und gearbeitet. Ich denke, ich kann nicht getrennt funktionieren. Für mich findet Kunst jeden Tag statt: Ich wache auf, mache mir einen Kaffee und gehe direkt ins Studio. Mir bedeutet diese Privatsphäre viel, wenn ich dazwischen nicht nach draußen gehen muss. Mittlerweile wird diese Wohnung aber auch etwas klein, weil meine Bilder immer großformatiger werden. Ich bin also derzeit wieder auf der Suche nach einem anderen Studio. Am liebsten auch wieder mit einer Wohngelegenheit.

 

PARNASS: Wie lange arbeitest du dann an einem Bild, beziehungsweise an einer Serie?

Das hängt stark von meiner Gefühlslage ab. Manchmal mache ich ein Bild in drei Tagen fertig, manchmal brauche ich ein Monat. Aber ich arbeite gerne gleichzeitig an verschiedenen Werken. Das ist oft etwas tricky mit dem Platz, denn wenn ich ein vier Meter langes Bild am Boden habe, wird es eng für die anderen – aber bei den kleineren mache ich immer zwei oder drei gleichzeitig.

 

 

 

 

PARNASS: Du schreibst, dass du in deiner Kunst „menschliche und tierische Körper studierst“.

Ich versuche zu verstehen, was es bedeutet, Mensch zu sein. Für mich sind wir nicht einfach nur diese „angezogenen Person“, die wir der Welt präsentieren. Man ist der Geist und der Körper, den man bewohnt. Die Körpersprache ist für mein Schaffen essenziell. Ich arbeite immer mit Modellen, mit „echten Menschen“ sozusagen, lade sie in mein Studio ein und mache ein Shooting mit ihnen. Danach fertige ich die Skizze an und beginne anschließend, auf der Leinwand zu malen. Es handelt sich bei meinen Modellen meist um ältere Leute, denn ich denke, dass sich die Lebenserfahrung, die diese haben, stark durch die Körpersprache ausdrückt. Körpersprache ist ein gutes Stichwort: Ich bin überzeugt, dass es eigentlich keine Worte braucht. Alles drückt sich dadurch aus – Glück, Traurigkeit, alles.

 

PARNASS: Und wie schaut es mit den Tieren aus?

Zu den Tierdarstellungen bin ich während des ersten Lockdowns gekommen. Ich musste fünf Monate im Kosovo bleiben. Da wir kaum Kontakt zu Menschen haben dürfen, war naher Kontakt oft nur mit Tieren möglich. Da sind mir große Unterschiede aufgefallen: In Wien behandeln viele ihre Tiere wie Tiere wie Babys – ganz anders als im Kosovo. So war es für mich interessant zu sehen, wie sich Beziehungen in meinen Bildern zwischen nackten Menschen und Tieren, die ja gewissermaßen immer nackt sind, entwickeln. Auch Intimität und Sexualität sind Aspekte, die ich thematisiere. Ich wollte beobachten, wie die Menschen darauf reagieren. Das ist ein Spiel für mich, bei dem ich nie weiß, wie es weitergeht. So arbeite ich in meiner Kunst immer: Ich habe eine Idee, ich spiele damit, kenne aber das Ende nicht. Es bleibt interessant für mich, wenn ich die Reaktionen nicht kenne.

 

PARNASS: Du spielst mit vermeintlich provokanten Inhalten.

Ich weiß auch gar nicht, warum meine Arbeiten teilweise so intensiv ausfallen – wobei das wohl essenziell ist, denn wäre es mir bewusst, würde ich mich gar nicht damit beschäftigen. Diese Art, sich nicht im Klaren zu sein und immer tiefer zu gehen, hält mich am Leben.

PARNASS: Für deine Figuren verwendest du ein ungewöhnliches Medium, du arbeitest viel mit Sand. Woraus hat sich das entwickelt?

Ich selbst liebe Bilder, die viel Struktur, viele verschiedene Materialien haben. Zum Sand bin ich am Anfang eher zufällig gekommen, ich wollte eigentlich einfach nur verschiedene Medien ausprobieren. Ich habe nicht erwartet, dass ich an einen Punkt gelange, an dem ich nur noch damit arbeite. Ich denke, das hat sich auch besonders entwickelt, als ich nach Wien gekommen bin: Ich verwende Sand aus dem Kosovo, so kann ich einen Teil meiner Herkunft bei mir haben. Ein anderer, wichtiger Aspekt ist mehr ein konzeptueller Gedanke: Ich forme menschliche Körper aus Sand, so wie wir gewissermaßen selbst auch aus Erde, aus Sand gemacht sind. Ich habe dabei aber nie gesagt: „Ok, ich mache das, weil es diese und jene Bedeutung hat“, sondern ich einfach damit begonnen, ohne mir zuvor große Gedanken darüber zu machen, und mein Verhalten erst im Prozess analysiert.

 

PARNASS: Welche Technik wendest du beim Auftragen des Sandes an?

Ich arbeite immer am Boden, rühre Sand und einen speziellen Klebstoff an und trage das Gemisch auf, solange es noch feucht ist. Sobald es auf der Leinwand ist, kann es nicht mehr nachbearbeitet werden. Ich muss relativ rasch vorgehen, damit der Sand nicht zuvor trocknet. Denn dann gibt es keine Chance mehr, irgendetwas zu verändern. Als ich das einmal versucht habe, ist die Leinwand nur kaputt gegangen. Ich schätze, das ist ein gutes Zeichen, um den Leuten zu versichern, dass der Sand nachträglich definitiv nicht mehr abgeht.

 

 

 

 

PARNASS: Und der Hintergrund entsteht nach dem Körper.

Ich arbeite schon an beiden gleichzeitig, aber meistens muss ich das Bild aufstellen, um zu sehen, wie ich nach dem Körper weitermachen möchte – ich beginne zwar am Boden, kann aber nicht nur dort bleiben. Ich denke nicht, dass man die Komposition dort vollständig erfassen kann. Also ja, der größte Teil des Hintergrundes entsteht erst, wenn der Sand getrocknet ist.

 

PARNASS: Die Farbauswahl ist besonders bei deinen Hintergründen spannend…

Bei meinen Körper- und Aktdarstellungen ist er oft sehr bunt, sehr poppig. Die Auswahl passiert aber immer im Moment, ich überlege vorher kaum. Wenn ich mich für eine oder mehrere Farben entscheide, nehme ich sie einfach in die Hand und handle nach Gefühl. Wenn das dann passt, lasse ich es, wenn nicht, versuche ich es eben nochmal anders. Das hat auch viel mit meinen Emotionen während des Arbeitsprozesses zutun. Man kann meine verschiedenen Gefühlsperioden relativ gut in der Farbwahl erkennen.

 

PARNASS: Viele deiner Bilder sind sehr sinnlich, man möchte schon fast sagen erotisch.

Das war vor allem eine Periode vor zwei Jahren, als ich viel mit Sexualität gearbeitet habe. Zu diesem Zeitpunkt hat mich das Thema selbst sehr beschäftigt. Aber grundsätzlich betone ich immer, dass die Darstellung einer nackten Person nicht gleich die Darstellung von Erotik bedeuten muss. Es irritiert mich immer, wenn die Leute das direkt so auffassen, denn auch in der Zeitspanne, in der ich mich auf diesen Aspekt konzentriert habe, hatten nicht alle Bilder mit Sexualität zutun. Es herrscht vielleicht Intimität zwischen zwei Personen, ja, aber oft liegen sie nur und entspannen sich zusammen. So zeigen auch diese Bilder verschiedene Beziehungen zwischen den Dargestellten – manchmal spielt Sexualität eine Rolle, manchmal nicht.

 

 

Parnass Interview Albana Ejupi

 

 

Was bedeutet nachhaltig #jungbleiben für dich?

Es ist dieser Spaß am Prozess von meiner ursprünglichen Idee zu dem, was ich auf die Leinwand bringe. Von der Idee am Anfang zum Ergebnis am Ende. Ich genieße das Gefühl, nachdem ich ein Werk fertiggestellt habe, allein im Studio bin und nur schaue. In dem Moment, an dem ich meine fertige Arbeit betrachten kann, fühle ich mich jung.

 


Text: Caroline Schluge

Fotocredits:
Studioaufnahmen (c) Markus Morianz
Ausstellungsaufnahmen (c) Franzi Kreis

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