Carl Auböck: Eine Werkstätte mit (Design-) Geschichte
Trifft man Carl Auböck in seinem weiträumigen Büro, wird sofort klar: Die Kreativität einer Dynastie hat hier jeden Zentimeter geprägt. Karikaturen und Zeichnungen des Großvaters, ein Regal, das bis an die Decke reicht, darin Bücher über Design und Kunst, dazwischen große Schreibtische. Während im obersten Stockwerk eines Biedermeierhauses im 7. Wiener Gemeindebezirk am Schreibtisch gearbeitet wird, liegt im Erdgeschoß die berühmte Werkstatt, die auch Archiv und Lager beherbergt und wo sich in den letzten Monaten die Macher:innen der gerade im MAK stattfindenden Ausstellung „Iconic Auböck“ viele der 400 Exponate ausliehen, um sie der Öffentlichkeit am Stubenring zu zeigen.
Für Carl Auböck ein Abschied auf Zeit, der schon jetzt seine Objekte vermisst, wie er erwähnt, schließlich begleiten sie ihn bereits sein ganzes Leben lang. Es sind einzigartige Gebrauchsgegenstände, welche die Generationen des Hauses geschaffen haben, die heute zu „95 Prozent ins Ausland gehen“, so der Designer und Architekt, der in vierter Generation das Haus leitet. Kurz unterbricht er unser Gespräch, denn ein Graveur ist gerade gekommen. Eine Handwerkskunst, die im 21. Jahrhundert bei uns nur mehr wenige beherrschen. Graveur:innen sind dementsprechend rar geworden, wie Auböck ausführt. Dass Handwerk generell einen Imagewandel bräuchte, ist nur eines seiner Anliegen, wie er dem #jungbleiben Magazin erzählt.
Gibt es eine Designphilosophie Ihres Hauses?
Da muss ich etwas weiter ausholen. Es ist sicher nicht so, wie man in der MAK Ausstellung tituliert „Eine Werkstätte prägt den österreichischen Designbegriff“. Das ist Unsinn, denn wir haben nichts geprägt. Es gibt Einzelpersonen, wie Adolf Loos oder Josef Hoffmann, die Antipoden sind und von sich aus Arbeiten geliefert haben, die eigenständig waren, aber kein österreichisches Design, das als solches erkennbar wäre, wie italienisches Design. Bei uns fehlt dazu die Industrie und das Land ist nicht groß genug. Dass unsere Werkstätte den Designbegriff geprägt hätte, ist also eine Zuschreibung, die ich freundlich ablehne. Wo wir allerdings prägend waren, ist die Schiproduktion in den 1960er Jahren, die auf der ganzen Welt sofort imitiert wurde. Daran war mein Vater beteiligt, der die Fersenbindung für Tyrolia designt hat.
Woran lag es, dass Produktdesign in Österreich in der Vergangenheit nicht mehr Beachtung bekommen hat?
Es war beispielsweise die Ausbildung unter Hans Hollein (Professor an der Universität für angewandte Kunst Wien, Anm.), der die Auffassung vertrat, dass alle Künstler seien. Aber Industrielle brauchen Werkdesign und denken natürlich an die Zahlen. Und so wurde der Maschinenbauer dafür abgestellt. Der hat in seiner Überforderung dann einfach nur das nachgemacht, was es bereits gab.
„Es gibt die Momente, wo sich die Kreativität einschleicht.“
– Carl Auböck
Was macht Ihre Werkstätte aus?
Das, was uns seit Generationen um- und antreibt, ist die Kommunikation. Wichtig ist der Kontakt mit Leuten, die wissen, was sie wollen. Wir sind darin gut umzusetzen und das in unserem Stil. Dieser ist stark vom Weimarer Bauhaus geprägt, das der Wahrheit des Handwerks verpflichtet war und wo auch meine Großeltern gelernt haben. Im Bauhaus musste alles eine Basis haben. Das heißt, man arbeitet aus dem Material mit dem Material. Das ist genau das, was wir heute auch machen.
Wie haben Sie sich mit Ihrer Familiengeschichte auseinandergesetzt?
Ich habe vor fast 30 Jahren eine Ausstellung über meinen Großvater mit dem Wien Museum gemacht. Da waren auch seine Aquarelle dabei. Diese war konsekutiv und enzyklopädisch aufgebaut und sie hat mir sehr geholfen, den Geist der Werkstätte zu verstehen. Die Ausstellung war zwar ein wenig oldschool, aber man hat verstanden, worum es geht. Wichtig halte ich in unserer Philosophie, wie es zu einem Design kommt, denn es ist nicht form follows function, sondern eher form follows spirit. Mit Spirit verstehe ich den menschlichen Geist, der in dieser Welt vorhanden und fähig ist Artefakte herzustellen, die jemanden emotional zufriedenstellen.
„Wenn sich Materialien treffen, müssen sie gut miteinander leben. Das ist der Gradmesser, ob etwas gelungen ist oder nicht.“ – Carl Auböck
Was beeinflusste stark die Werkstätte?
Der Lehrer meines Großvaters, Johannes Itten, lehrte den Schülern im Bauhaus das kalligrafische Malen, wie es in Japan üblich ist. Die großen Meister, die wir alle kennen, haben das auch gekonnt, aber es wurde nicht auf den Hochschulen unterrichtet, denn das war unter „der Würde“ der europäischen Kultur. Das Weimarer Bauhaus war da aber anders und hat begonnen, diese Einflüsse wahrzunehmen und einzubeziehen. So ähnlich ist es auch hier in der Werkstatt gewesen. Viele Praktiken, die wir heute noch machen, haben sich tradiert. Ich patiniere, ich brenne, ich öle und brenne – das sind lauter Dinge, die nicht viel Technikaufwand benötigen, aber mit einem hohen Erfahrungsaufwand zu tun haben.
Woran erkennt man gelungenes Design?
Mein Vater hat einmal gesagt: „Gute Architektur erkennt man an ihren Kanten und Ecken“. Und das ist beim Design auch so. Wenn sich Materialien treffen, müssen sie gut miteinander leben. Die Lösung an den Ecken und Kanten ist also der Gradmesser, ob etwas gelungen ist, oder nicht.
Die Produkte von Carl Auböck sind unter anderem bei Die Sellerie erhältlich. Eine weitere Ausstellung über die Geschichte und Werke von Carl Auböck sind im Architekturzentrum Wien bis November 2024 zu sehen.