Marie Hartig: Wenn Wände erzählen
Marie Hartig machte wahrlich ihre Passion zum Beruf. Obwohl sie einst Fine Arts in London studierte, war die Künstlerin erst im Film- und Werbegeschäft erfolgreich unterwegs und führte eine Agentur in London, bevor sie sich entschied, die Sparte zu wechseln und die Malerei zu ihrem Business zu machen. Das #jungbleiben Magazin hat Hartig in ihrem Wiener Atelier besucht. Dort ist sie selten anzutreffen, denn oft ist sie international unterwegs, um Wände in Privathäusern, Restaurants und Top-Hotels zu verschönern.
Ist das Malen für dich so etwas wie Meditation?
Könnte sein. Obwohl man mit jedem Pinselstrich eine Entscheidung trifft, kommt es zu einem Moment, wo alles automatisch passiert. Dann sind plötzlich Millionen Entscheidungen – von Farben über Komposition – bis der Raum fertig ausgemalt ist. Am besten ist es eben, wenn während dem Malen, die Zeit, alle Gedanken und Gefühle magisch verschwinden.
Es gibt nicht viele Künstler:innen, die Wandmalerei machen oder?
International gibt es schon einige – die habe ich in den letzten Jahren durch Instagram gefunden und wir kennen einander. Ich bin gelegentlich auch mit meinen Kollegen im Kontakt. Aber Wandmalerei ist absolut eine Nische. Vor 10 Jahren habe ich mein erstes Wandbild im Zimmer meiner Patentochter in London gemalt und war sofort inspiriert. Ich habe mich in dieser 3D-Welt sehr wohlgefühlt – wo ich überall, in allen Ecken malen konnte, eine Wand mit der anderen harmonieren muss, wo man Geschichten erzählen kann. Der Rest hat sich dann ergeben. Ich habe schnell erkannt, dass ich eine Nische gefunden habe, die viel Potenzial hat, und ich habe viel in meinem Atelier geübt und meinen Stil gefunden. Die Projekte kamen schnell rein. Es hat sich so entwickelt, seit der Zeit, als ich Partnerin in einer Firma (Internationale Regie Agentur, Anm.) in London war. Ich musste mich dann entscheiden, bekam aber dann auf einmal große, tolle Mal-Projekte und konnte nicht mehr beides machen. 2021 habe ich mich für die Malerei entschieden und es zu meinem Hauptberuf gemacht.
Was ist das Besondere an deinem Business?
Wandmalerei ist besonders, da es eben eine Nische ist. Das ist immer gut als Business. Man braucht auf jeden Fall Kontakt mit Menschen, die so eine Kunst schätzen und wollen. Das ist ein ganz spezifischer, spezieller Kunde. Auch gute Kommunikationsarbeit und Gespür sind wichtig. Ich arbeite hauptsächlich auf Auftrag, und das bedeutet, dass ich für jemanden oder für einen speziellen Platz ein Kunstwerk mache. Ich muss in dieser Welt eintauchen, mich inspirieren lassen und meine Designs zu einem gewissen Grad anpassen. Ein Wandgemälde ist eine sehr intime Angelegenheit und braucht auch Zeit. Bei einigen großen Projekten bin ich 2 Wochen oder sogar länger dort, manchmal auch mit Assistenten. Natürlich ist es also wichtig, dass man schnell arbeiten kann. Ich habe mir in den letzten Jahren Techniken beigebracht, wo ich in kurzer Zeit sehr detaillierte Arbeit leisten kann. Das sind so einige Nuancen und Besonderheiten, die man mögen muss.
„Mit meinen Wandbildern nehme ich Menschen mit auf eine Reise durch verschiedene Welten.“ – Marie Hartig
Wandmalerei ist ja eigentlich eine der ältesten Kunstformen – denkt man an die Höhlenmalerei …
Ja, das stimmt. Es ist nie verschwunden. Angefangen von den schönsten Kirchengemälden sowie prachtvollen Räumen in Schlössern, wie die berühmten “Berglzimmer” in Schönbrunn. Es gibt wunderschöne bemalte Räume und Wände auf der ganzen Welt in allen Stilrichtungen. Es ist vielfältig! Wandmalerei ist eine Art Kunst, die aber viel Zeit, Planung und Aufwand braucht. Daher ist es sehr besonders.
Gibt es einen “Traumraum”, den du gerne bemalen würdest?
Die Sixtinische Kapelle [lacht]. Nein, wirklich, es gibt keinen Traumraum. Das werde ich oft gefragt, aber jeder Raum ist interessant. Nicht nur wegen des Raums, sondern auch wegen der Menschen, die dort sind. Es gibt manche Räume, wo die Energie nicht stimmt. Das merkt man dann spätestens, wenn man hinkommt. Durch das Bemalen ändert man mit viel Zuneigung und Liebe diese Energie. Besonders gerne male ich Esszimmer aus, denn da versammeln sich viele Menschen und Gäste haben immer gleich ein Konversationsthema. Anfangs habe ich besonders viele Gäste-WCs bemalt – das sind die besten Visitenkarten, denn da muss man sich mit seiner Umgebung beschäftigen. [lacht] Aber ich habe auch gerade ein Schwimmbad im 5. Stock ausgemalt … also es gibt so viele Räume, die man verändern und verschönern kann!
Deine Eltern waren Diplomaten und du bist in Japan geboren. Gibt es eine Inspiration, die daher kommt?
Absolut! In Japan gibt es so viel wunderschöne Kunst und Kultur, die mich auf jeden Fall inspiriert haben, vor allem seitdem ich male. Es gibt unter anderem wunderschöne Wandpaneele und bemalte Paravents. Die Motive sind auch meistens botanische Elemente. Ich war zwar nur die ersten 2 Jahre meines Lebens dort, aber meine Eltern haben immer viel gesammelt und sich besonders interessiert. Egal, wo wir waren oder gelebt haben, haben wir immer die Kultur und Geschichte immer erkundet. Heute macht man tausende Fotos, früher hat man oft Künstler in die Welt geschickt, um die Natur in verschiedenen Ländern zu erforschen, dokumentieren und illustrieren. Das hat mich immer sehr inspiriert! Wenn ich male, überlege ich oft, was für Pflanzen in den Raum passen. Welche sind gefragt oder welche Eigenschaften werden gebraucht? Diese Energie kann man in den Raum bringen.
Gibt es ein Comeback der Wandmalerei im öffentlichen Raum?
Gibt es nur Wandmalerei von dir oder hast du auch ein anderes Medium, das du bemalst?