FEMME MAISON Interview Portrait Franziska Fürpass-Kermani
Fotos: © Femme Maison

Franziska Fürpass-Kermani von FEMME MAISON im #jungbleiben Portrait

Mode für Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen – das ist FEMME MAISON. Das Damenmodelabel wurde von Franziska Fürpass-Kermani und ihrem damaligen Ehemann, heute Geschäftspartner, 2012 gegründet und feierte 2022 sein zehnjähriges Jubiläum. Die Designerin und leitende Geschäftsführerin des Unternehmens studierte bereits unter Raf Simons und Veronique Branquinho an der Universität für Angewandte Kunst in Wien und war unter anderem für Vivienne Westwood Wien tätig.

Wir haben Franziska Fürpass-Kermani zum Gespräch getroffen und mit ihr über ihren Werdegang und Nachhaltigkeit in der Modebranche gesprochen.

 

Wie würdet ihr euch in 5 Worten beschreiben?

Bohème, Couture, Nonchalance, Savoir-vivre, Südfrankreich

 

FEMME MAISON Interview Portrait Franziska Fürpass-Kermani

Fotos © Raphael Just

 

 

Was hat euch zu Femme Maison inspiriert und wie nahm es seinen Anfang?

Es ging und geht eigentlich immer um »die Frau«. Anfangs gab es eine starke Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper. Es ging viel um das Thema Intimität und die generelle Rolle der Kleidung. Der Zugang dazu war sehr skulptural. Durch starken Einfluss der französisch-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois ging es aber grundlegend schon von Beginn an auch um das »Frau-sein« und ihre Rolle in unserer Gesellschaft.

So geht es noch heute darum, dass sich „unsere“ Frauen in ihrer Haut wohl und sich im Einklang mit ihrer-selbst, ihrem Weg fühlen und sich integer entfalten können. Es geht um das authentische Leben, um Charakter.

Wir verkaufen keine Kleidung. Die Mission, der wir uns verschrieben haben, ist ein Lebensgefühl, Leidenschaft und vor allem ein Savoir-vivre zu vermitteln und selbst zu leben.

 

Welches Gefühl wollt ihr euren Kundinnen mit euren Designs vermitteln?

Leidenschaft, das Träumen. Das Gefühl, sich so wohl und gut zu fühlen, dass man unsere Kleider nie wieder ausziehen, darin tanzen, sich spüren will. Nicht auf einen Anlass zu warten, bis man ein Kleid trägt, sondern schlichtweg selbst zum Anlass zu werden. In unserem Abendkleid zum Ball zu gehen und danach darin einzuschlafen – sich darin wohlzufühlen, dabei aber nonchalant und elegant auszusehen.

 

Franziska, woher nimmst du die Inspiration in deinen Schaffensprozessen?

Ich liebe den Lifestyle der 70s, die Nonchalance, psychedelische 70s Musik, “old Hollywood”, Space Age, das Kino der freigeistigen Kreativen der 1975er, Designobjekte von Verner Panton, das Studio 54, laue Sommernächte in Südfrankreich, der Glamour alter Columbo-Filme in den Hollywood Hills, Slim Aarons Pool-Szenarios und französische Architektur-Utopisten.

Aber letzten Endes sind die größte Inspiration die Frauen, die zu mir kommen.

 

FEMME MAISON Interview Portrait Franziska Fürpass-Kermani

Fotos: © Raphael Just

 

Jede ist so verschieden, aber so inspirierend, weil ich so viele Bedürfnisse, Wünsche und Leidenschaften kennenlerne. Das ist so kostbar und bereichernd für meine Arbeit und vor allem für neue Ideen.

 

Massenproduktion sucht man bei euch vergeblich. Ihr betreut all eure Kund:innen persönlich aus Wien. Wie kam es dazu?

Es war eine lange, intensive und manchmal natürlich auch emotionale Reise, dort anzukommen, wo wir jetzt sind und vor allem, wofür wir jetzt stehen. Wir sind beide Ästhet:innen, Perfektionist:innen, aber in erster Linie Herzensmenschen – diese Kombination machte unseren Weg in einem recht harten, kommerziellen (Mode-)Markt nicht leicht.

Anfangs präsentierten wir unsere Prêt-à-porter-Kollektionen im Rhythmus der Saisonen in Paris. Eine internationale Ausstellung in der Galeries Lafayette Paris folgte. In vielerlei Hinsicht war dieser Showcase »der Wendepunkt« für Femme Maison. Der darauf folgende, schnell wachsende, internationale Zuspruch war natürlich sehr reizvoll: 2016 zählten u.a. Harvey Nichols in Hongkong, Totokaelo in New York und Seattle, Hyundai Department Store in Südkorea sowie MAMEG in Los Angeles zu unseren Kunden. In der Rückschau, war uns schon damals bewusst, dass wir uns trotz des Erfolges und einer gewissen, hart erarbeiteten und natürlich lang ersehnten wirtschaftlichen Freiheit dennoch spürbar von unserer wahren Erfüllung entfernten. Wir spürten das beide. »Das« war der Beginn für unser Atelier Privé im Wiener Servitenviertel.

Eine sehr bewusste Entscheidung weg von etwas und hin zu etwas anderem. Aus tiefster Überzeugung und mit dem Willen, die dogmatischen Modemarkt-Zyklen zu durchbrechen und eine Gegenbewegung zu überholten Retail-Konzepten zu starten, stoppten wir 2018 unsere Produktion für den Großhandel. Dieser ähnelte aufgrund der enorm gestiegenen Stückzahlen, wider unserer Idee und Haltung, plötzlich einer »Massenproduktion«. Dennoch lief jedes einzelne Stück durch unsere Hände, was den Aufwand enorm machte.

Heute betreuen wir nationales wie auch internationales Klientel zu 100 % persönlich in Wien. Die »Beziehung« zu unseren Trägerinnen steht neben dem Design und dem Handwerk an vorderster Stelle. Diese gestalten wir authentisch und ehrlich – kompromisslos.

Der Grundsatz ist klar: Nachhaltigkeit fängt dort an, wo auch ein Tagtraum beginnt – im Kopf und in der eigenen Garderobe!

Beim Abwägen, ob der nächste Kauf sein muss oder nicht. Wir glauben daran, wenige, aber dafür gute Dinge zu besitzen. Buy less, choose well.

 

FEMME MAISON Interview Portrait Franziska Fürpass-Kermani

Fotos: © Femme Maison

 

Nachhaltigkeit spielt in eurem Arbeiten eine wichtige Rolle. Wo beginnt der bewusste Umgang mit Ressourcen und wie stellt ihr ihn sicher?

Nachhaltigkeit beginnt bei uns schon im Umgang miteinander im Team. Ein wenig stolz sind wir schon, dass unser Team heute noch größtenteils dasselbe ist, wie jenes mit dem wir vor 10 Jahren begonnen haben. Das stellt unsere Haltung in der »intersozialen Nachhaltigkeit«, glaube ich, gut dar.

Als (Mode-)produzierendes Unternehmen und Handwerksbetrieb ist bei uns natürlich alles auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und das von Anfang an, bevor es das Marketing der Mode-Giganten für sich entdeckt hat.
Bis heute wird Femme Maison 100 % in Wien designt und 100 % von Hand in Wien gefertigt. Kein Kleidungsstück verlässt je unser Atelier im Wiener Servitenviertel ohne dass es mit viel Liebe, Leidenschaft und Fachwissen durch unsere Hände läuft.

Unsere Stoffe werden von handverlesenen Stoffmanufakturen und teils noch familiengeführten Ateliers in Europa und England bezogen. Neben Frankreich und Italien kommt zum Beispiel unser Loden aus unserer Heimat, der Steiermark. Dead-Stock beziehen wir von französischen Couture-Häusern.

Und beim Thema Nachhaltigkeit natürlich keinesfalls zu vergessen: Die Femme Maison Frauen. Sie kaufen bewusst. Sehr bewusst. Ein Sommerkleid, ein Lodenmantel,… das Hochzeitskleid, das auf Wunsch nach der Hochzeit so angepasst wird, dass es auch zu anderen Anlässen getragen werden kann. Der achtsame Umgang mit der eigenen Garderobe steht immer im Vordergrund – da bin ich natürlich persönlich stark geprägt durch meine Zeit bei und um Vivienne Westwood.

 

FEMME MAISON Interview Portrait Franziska Fürpass-Kermani

Fotos: © Femme Maison, Raphael Just

 

Wie steht ihr zu Themen wie Inclusiveness und Female Empowerment in der Mode?

»In Beziehung sein« ist der rote Faden in unserem privaten und beruflichen Schaffen. Wir glauben fest an ein »Zusammen«, an ein »Gemeinsam«. Ein authentisches, lebendiges Gegenüber, fernab jeglichem stereotypischen Denkens. Das ist für uns die Quelle vieler Dinge, vor allem jene eines lebendigen Weges miteinander.

Wie schon oben erwähnt, haben wir uns von Anfang an mit dem Thema “Frau sein” und auch ihrer Rolle in der Gesellschaft beschäftigt. Diese isoliert zu betrachten liegt uns aber fern. Wie schön ist es die jeweiligen „sozialen Systeme“ mit einzubeziehen in denen wir privat leben. Gerade unsere Events bieten dafür einen wunderschönen Rahmen genau das zu zelebrieren.

Letztes Jahr veranstaltete Doris Schmidauer (wie jedes Jahr) zum internationalen Frauentag eine Veranstaltung namens “Wake up call – Zur Lage der Frauen”, mit einer sehr interessanten Podiumsdiskussion – und das was mir heute noch davon im Kopf geblieben ist, ist, dass es prinzipiell nicht um die Frauen gehen soll, die stark werden, die kämpfen, die aufstehen sollen – sondern um die komplette Gesellschaft. Sogar in dem Wort “Empowerment” steckt das Wort “Power” – aber es geht nicht um die Powerfrau – es geht um eine Gleichstellung, und die betrifft alle Menschen, die auf dieser Erde leben.

 

FEMME MAISON Interview Portrait Franziska Fürpass-Kermani

Fotos: © Raphael Just

 

 

Gibt es ein besonderes Piece von euch, welches euch über die Jahre nicht mehr losgelassen hat und euch nicht aus dem Kopf geht?

Da gibt es tatsächlich einige. Wir haben Schnitte entwickelt, die unabhängig von Kleider- und Körpergrößen funktionieren. Sicher eine Besonderheit von Femme Maison. Einige unserer Braut- und Abendkleider bindet man sich raffiniert an den Leib, ohne den sogenannten Schnitt des “Wickelkleides”. Sie haben kein Ablaufdatum und das ist so schön – und nachhaltig.

 

Ihr seid mittlerweile regelmäßig auch mit Pop-ups in einigen Locations in Wien zu sehen. Was kann man da erwarten und was ist die Idee dahinter?

Es ist ein Zusammenspiel von Wiener Handwerkstradition und zeitgenössischem Lebensstil. Auch wenn wir unseren Modesalon im Wiener Servitenviertel lieben, wissen wir aus eigener langjähriger Erfahrung, wie hoch die Hemmschwelle manchmal von Kund:innen empfunden wird, ein Modeatelier zu besuchen. Manche Frauen kaufen einfach lieber Kleidung von der Stange ohne Adaption und Wartezeiten, die sie sofort anziehen können. Das verstehe ich sehr gut.

Wir wollen genau diese Frauen erreichen, die auch unsere Werte leben, aber auch jene, die uns niederschwellig kennenlernen möchten.

Wir haben in den letzten Jahren eine so schöne Frauen-Community aufgebaut, die auch sehr gerne zusammenkommt – und die sich untereinander privat wie auch beruflich inspiriert. Auch genau dafür stehen unsere Soirée-Events, die auf jeder Pop-Up-Tour einmal stattfinden, wie letztens im Mai im Servitenviertel: Es ist eine Zusammenkunft toller Frauen, ein »sich-Zusammenfinden«. Und jede Pop-up-Station für sich ist ganz anders, weil wir uns unterschiedlich einbetten.

 

Als Female Founder: Welche Erfahrungen konntest du auf deinem Weg sammeln, die ihr anderen Frauen mitgeben möchtet?

Bei all der professionellen Härte, die man im Berufsalltag oft benötigt, gerade in dieser Branche, ist es wichtig, dass man die »Herz- und Liebesfähigkeit« nicht vernachlässigt. Partnerschaft, Familie und Freundschaften zu pflegen und diese keinesfalls dem vollen Kalender unterzuordnen. Es sind auch hier die echten und tiefen Beziehungen die uns durch die Wirren des Alltags tragen und somit anstatt sich getrieben von einem gesetzten (Erfolgs-)Ziel zum nächsten zu hetzen, unser Leben einfach »sinnerfüllt« zu (er-)leben.

 

FEMME MAISON Interview Portrait Franziska Fürpass-Kermani

Fotos: @ Femme Maison

 

Wie sieht die Zukunft von Femme Maison aus?

Unsere (Frauen-)Community wächst mit jedem Jahr und so kann es gerne weitergehen. Das erfüllt uns sehr! Seit einem halben Jahr gibt es auch wieder abendliche Soirées, in denen sich FEMME MAISON Frauen zusammenfinden, sich kennenlernen, inspirieren und austauschen. Es wird auch künftig wieder mehrere Veranstaltungen und Kooperationen geben, die wir gerade vorbereiten und uns schon sehr darauf freuen. Gerade auch auf jene in unserem Atelier, das sich immer mehr zu dem formt, was von Anbeginn schon unsere Vision dafür war: Ein intimer, wohltuender und nicht zuletzt auch ästhetisch-ansprechender und inspirierender Ort, an dem man in einem Seidenmorgenmantel zu psychedelischen Liedern tanzen will, mit einem “French 75” in der Hand.

 

Was bedeutet #jungbleiben für dich?

Leidenschaft zu leben und zu lieben, und der Welt neugierig, offen und vor allem »verantwortungsvoll« zu begegnen.

 

Ohne, mild oder prickelnd?

Prickelnd natürlich 😉

 

 

Fotocredits:
1. Passage: (c) Raphael Just
2. Passage: Bridal Kollektion (c) Raphael Just
3. Passage: (c) Femme Maison
4. Passage: links, Mitte (c) Femme Maison, Bridal Kollektion (rechts) (c) Raphael Just
5. Passage: (c) Femme Maison
6. Passage: Bridal Kollektion (c) Raphael Just
7. Passage: (c) Femme Maison

1. Juli 2023
Diese 9 Köch:innen denken die Küchenwelt in der Gastronomie neu
4. Juli 2023
Tradition im #jungbleiben: Das Café Landtmann wird 150 Jahre jung!

Kommentieren

Die E-Mail Adresse wird auf der Website nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * gekennzeichnet und müssen ausgefüllt werden.